Kapitel 2: Orientierung… ich hab’s euch ja gesagt! | Abenteuer Lofoten

Nach dem absolut fantastischen Start in Norwegen folgte erste Ernüchterung gute zwei Stunden, nachdem ich in Leknes, relativ weit südlich auf den Lofoten gelandet bin. Die Huskyfarm, auf der ich die ersten beiden Nächte verbringen wollte, war vermeintlich nur 10km vom Flughafen entfernt. Busse schien es auf den ersten Blick nicht zu geben. Ich also losgetrampt mit einem viel zu schwerem Rucksack in Richtung Nygard. Nach 2 Stunden, gefühlten 36 Pausen und gerade einmal 5 zurückgelegten Kilometern lag eine Sackgasse vor mir. Orientierung for the win, lieber Jim. Kurzer Check bei Google Maps, wo ich mich denn gerade befinde. In diesem Moment fiel mir ein, dass Katrin, der Host der Huskyfarm, mir vorige Tage angeboten hatte, mich von einem Ort namens Risoyhamn anzuholen. Ganz in der Nöhe von Nygard. Ich, mit dieser Erinnerung kurz erleichtert, googlemapse „Risoyhamn“. Ping. Risoyhamn, nähe Nygard, 350km entfernt. 350km!! Später werde ich erfahren, dass es in Norwegen dutzende Nygards gibt…

landschaft_leknes_lofoten_norway

Okay, kurze Betrachtung meiner Situation: Ich habe seit 24 Stunden nicht geschlafen. Mein Magen knurrt. Ich trage einen Rucksack mit 25 Kilo Inhalt und angehängtem Schlafsack, Isomatte, Zelt und Stativ auf meinem Rücken. Es ist 5 Grad. Es regnet. Damit das Wetter nicht halbherzig daherkommt, pfeift der Wind mir um die vor dem Erfrierungstod stehenden Ohren, da meine Mütze in dem unsortierten Chaos der Innereien meines amateurhaft aber günstig verarbeiteten Kostrukts aus einem Trekking-Rucksack auf der von Muskeln ferngebliebenen Rückseite meines ebenso fettarmen Oberkörpers versteckt sein sensationsarmes Dasein fristet. Ihr merkt, ich war ein wenig frustriert. Der Ort, wo ein warmes Bett auf mich wartet, war immernoch unrealistisch weit von mir entfernt. Bushaltestellen? Fehlanzeige. Trampen in Norwegen? Nahezu unmöglich. Die Norweger nehmen nicht gerne Touristen mit. Also reifte die Erkenntnis in mir, dass ich die zwei bereits zu Fuß zurückgelegten Stunden wieder zurücklatschen muss, um in die Nähe einer Bushaltestelle zu kommen. Auf dem Weg wird bestimmt irgendwo eine Haltestelle sein. Hab‘ auf dem Hinweg nur nicht drauf geachtet… War natürlich nicht so. Nach 120 weiteren meiner Ansicht nach semischönen Minuten durch die Umgebung fand ich dann endlich eine Haltestelle.

haltestelle_lofoten

Fahrpläne wurden wohl von den Lofoten vertrieben. Und auch das Design der Haltestelle war, nunja, eher schlicht gehalten.

Noch weit mehr frustriert, und weil mir arschkalt war, war ich, als die nächsten 30 Minuten ohne Anzeichen eines in absehbarer Zeit erscheinenden Busses vergingen. Zwei Optionen: Einreden, dass ein Bus bald kommt. Oder in die andere Richtung laufen, um eine geeignetere Bushaltestelle zu finden. Letzteres war dann tatsächlich eine gute Entscheidung, da ich einen kleinen Ort erreichte. Mit Haltestelle. Aus Glas. Mit Fahrplänen! Und einen Bäcker gabs auch!! Der Hammer. Aufgrund meiner durch Kontaktlinsen wiederhergestellten Lesefähigkeit brachte ich in Erfahrung, dass in einer Stunde der sehnsüchtig erwartete Bus in Richtung der Huskyfarm kommen würde. 350 Kilometer. Dann darf ich ins Bettchen. Komfortzone, in ein paar Stunden hab ich dich wieder. Dabei war ich noch nicht einmal richtig angekommen auf den Lofoten. Ganz schnell verdränge ich diesen eingeleibten Instinkt wieder. Gehe zum Bäcker, wärme mich mit Kaffee und norwegischen Spezialitäten auf und trat die Kurzreise auf die Inselgruppe nördlich der Lofoten an.

Es ist 23.00 Uhr. Mein iPhone-Wecker klingelt. Take your time. Hurry up. Chance is yours, don’t be late. Nirvana sagt’s mir jetzt auch am späten Abend. Aufbruchstimmung. Warum? Weil ich einen Berg besteigen will. In die Wildnis rein. Es ist der erste Abend auf den Lofoten, wobei, ich war nichtmal mehr auf den Lofoten, sondern auf der Inselgruppe weiter nördlich. Macht nichts, sieht ähnlich aus hier. Nach 7 Stunden Busfahren, 3 mal umsteigen plus Fährenüberquerung, bin ich tatsächlich in Nygard angekommen. Zwar in einem vollkommen anderen Nygard als geplant, aber das machte mir relativ wenig aus. Wäre ich nicht so vollkommen übermüdet gewesen, wäre das die schönste Busfahrt meines Lebens gewesen. Diese Landschaft… unfassbar.

Ich wurde auf der Huskyfarm herzlich und unter lautem Hundegebell empfangen und durfte nach kurzer Eingewöhnungs- und Instruktionsphase endlich ins Bett. Lange nicht mehr so unfassbar müde gewesen. Aber: Ich war hier nicht zum schlafen. Also stellte ich den Wecker auf 23 Uhr, macht 5 Stunden Schlaf. Sollte reichen um mein erstes großes Abenteuer in Angriff zu nehmen. Die erste richtige Bergbesteigung meines Lebens. Ganz alleine. Ich machte mich entschlossen, mutig und abenteuerlustig auf den Weg.

Nur so viel: Das wurde richtig hart. Hätte ja nicht ahnen können, dass aus heiterem Himmel ein Schneesturm aufziehen würde…

25 Kommentare

    1. Danke dir tausendmal, finde es echt klasse dass du auf meinem Blog dabei bist und meine Berichte so magst!! :)) Allein für dieses Feedback lohnt es sich schon für mich weiterzuschreiten! Und das Buch werde ich irgendwann realisieren, ist echt auch ein Traum von mir 🙂
      Btw: Ich bin auch ein Fan von deinen Bildern 😉

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  1. Des einen Freud ist des anderen Leid. In diesem Fall ist es umgekehrt. Nicht, dass ich mich an deinem Leid ergötzen würde, aber der Text war durchaus sehr unterhaltsam. Wird der nächste sicher auch. Aber ich hoffe dennoch, dass du nicht allzu sehr gelitten hast..

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    1. Keine Sorge, es war zwar echt anstrengend und der erste Tag ließ mich ein bisschen verzweifeln, aber diese Erfahrung gehörte auch dazu und ich habe mich immer noch wahnsinnig auf diese Reise gefreut! 🙂
      Danke für den netten Kommentar 🙂

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  2. Wieder ein original Jim!
    Ich geb zu, ich hab geschmunzelt, aber ich hab auch mit gelitten und mir die Haare gerauft.
    An deiner Stelle wäre ich vermutlich wie ein bockendes Kind an der Bushalte gestanden und hätte mich selbst dafür verflucht, in welche Misere ich mich da reingeritten habe.

    Ich freu mich schon auf den nächsten Teil. Der hier? Made my day!

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    1. Hehe Dankeschön Luisa für den lieben Kommentar!
      Da hast du genau den Gedanken aufgegriffen der mir auch durch den Kopf geschossen ist: „Was mache ich hier gerade???“ Aber letztendlich hatte meine ungeheure Lust auf diese Reise die kurzzeitige Frustration erträglicher gemacht 🙂
      Nochmals Dankeschön und klasse, dass du weiterhin dabei bist 🙂

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  3. Da ist er ja endlich wieder, wie schön! Ich hab dich schon vermisst, Kleiner! 😉 Schön wieder von dir zu lesen und wieder unglaublich spannend. Ich wäre wahrscheinlich auch an der Haltestelle stehen geblieben und hätte geflucht wie ein Seebär. 😀 Meinen Neid hast du immer noch und ich freue mich auf mehr!
    Wie geht es denn deinem Arm?

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    1. Hey, sorry, war mit meiner Hausarbeit beschäftigt 😦 Wie ein Seebär haha, umschreibt das ganz gut & dankeschön! 🙂 Meinem Arm geht es wieder besser! Nur ich hab jetzt meinen kleinen Zeh gebrochen, komplett durch, hab jetzt einen Knochen mehr da drin haha, aber denke ich kann in 2 Wochen wieder trainieren 🙂
      Liebe Grüße!

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      1. Du machst Sachen 😀 Und ich dachte immer ich nehm schon alles mit, aber du bist echt nah dran mir dabei Konkurrenz zu machen 😉 Naja, der kleine Zeh is verschmerzbar .. den hatte ich auch schon gebrochen. Hab den selbst wieder gerade gezogen und nach sechs Wochen undgefähr konnte ich wieder ohne Schmerzen und Übelkeit laufen 😀 Nix wofür man nen Arzt braucht XD
        Aber schön wenn es deinem Arm besser geht und ich drück dir die Daumen für die Hausarbeit 😉

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  4. Hey Jim,
    das mit der Schlaflosigkeit kenne ich noch zu gut aus Indonesien. Als wir bei den Vulkanen waren dachte ich auch, ich fall gleich im stehen in den Tiefschlaf. In solchen Momenten fragt man sich: „Ist das eigentlich noch Urlaub, oder was?“ Nein, das nennt man wohl wirkliches Reisen und Entdecken.
    Also Kopf hoch und weiter machen 😉 und meistens passieren dann auch die schönsten Dinge…
    Liebe Grüße und ich freue mich auf die nächsten Kapitel,
    Lea

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    1. Hey Lea, ich denke da hast du das vollkommen richtig beschrieben, „wirkliches Reisen und Entdecken“! Ist dann aber echt ein kleiner Kampf, du bist an diesem tollen Ort und dein Körper ist erschöpft…
      Aber du sagst es! 🙂
      Danke und liebe Grüße zurück,
      Jim

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      1. Ja!!! Genau 🙂
        Und man denkt sich: „Mann, ich bin doch nur einmal hier, also muss ich das jetzt auch durchziehen!“ Und dann überspielt man halt seine Müdigkeit und macht weiter. Obwohl der Körper einem sagt man sollte lieber umdrehen und ins Bett gehen.
        Ich hätte nach meiner Reise wirklich erst mal Urlaub gebraucht, so erschöpft war ich. 😉
        Auf bald,
        Lea

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  5. „Damit das Wetter nicht halbherzig daherkommt, pfeift der Wind mir um die vor dem Erfrierungstod stehenden Ohren, da meine Mütze in dem unsortierten Chaos der Innereien meines amateurhaft aber günstig verarbeiteten Kostrukts aus einem Trekking-Rucksack auf der von Muskeln ferngebliebenen Rückseite meines ebenso fettarmen Oberkörpers versteckt sein sensationsarmes Dasein fristet. “ welche ein Satz und welch kluges Konzept, am Ende neugierig auf den nächsten Anfang zu machen 🙂

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  6. Wie zuvor erwähnt ein weiteres Kommentar von mir, diesmal mit einer kleinen Klgscheißerei am Anfag: Ich glaube in Norwegen ist es sogar verboten zu trampen, zumindest habe ich so etwas schon einmal gehört ^^
    Ich komme außerdem nicht drumherum, um noch einmal zu bemerken, dass die Fotos unheimlich schön sind und, dass du mich wieder einmal sehr neugierig auf das nächste Kapitel gemacht hast… Wie glücklich ich bin den Reisebericht jetzt erst entdeckt zu haben und nicht noch ewigkeiten auf den nächsten Eintrag warten zu müssen 😀

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    1. Ach echt? Das wusste ich nicht… wusste nur, dass die Norweger eine, nunja, schwierigere Einstellung zu Trampern haben. Zu Fuß lassen sich die Lofoten mit ein bisschen Zeit jedoch auch gut erkunden… mit sehr viel Zeit… dann halt mit dem Bus 😀
      Danke!

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