Das Ende eines Abenteuers: Der Blick von oben

Ich schaue aus dem Fenster des Flugzeugs. Tausende kleine Häuser und in die Luft ragende Gebäude, Industrieanlagen, Fußballplätze, Straßen und Autos, Menschen, unzählige Menschen mit dem Drang sich zu vergleichen, besser zu sein und eine Welt, der ich eine Woche entfliehen konnte, offenbaren sich mir. Der Druck lässt sich schon von mir oben spüren. Der Druck etwas zu leisten, zu gewinnen, aufzusteigen, der Druck es allen recht zu machen, fehlerfrei, stark und ehrlich, sind wir nie und zu keinem Zeitpunkt, nur Lügen, alles Lügen die mich wieder erwarten. Hier glücklich zu sein, die größte Lüge von Allen. 

Das Flugzeug bringt mich zurück nach Deutschland, zurück in die Heimat, zurück in den Alltag. „I gotta get out“, das Lied dringt wieder durch die Ohrstöpsel in meine Seele. I gotta get nach Hause, denke ich. Das nächste Semester steht an, die Praxisphase gerade hinter mir.  Ich bin unzufrieden. Ich meine, wer ist schon zufrieden und freut sich nach dem Urlaub wieder zuhause zu sein? Vermutlich mehr Menschen als man denkt. Schön wieder zu Hause zu sein. Der Urlaub war toll, aber zu Hause ist es doch immer noch am schönsten. Ein Privileg, dass behaupten zu können. Ich kann’s nicht.

Noch immer blicke ich intensiv und gedankenverloren aus dem Fenster des Flugzeugs. Gleich werde ich wieder zu Hause sein. Ich freue mich auf mein Bett. Immerhin etwas, worauf ich mich freue. Im gleichen Moment merke ich, wie depremierend doch dieser Gedanke ist. Ist das wirklich das Einzige, worauf ich mich freue?

3 Monate ist das nun her. Unfassbar. Die Klausurphase klopft eindringlich an die Tür. Das Semester ist damit schon wieder zu Ende. Heute ist die letzte Vorlesung. Wie sahen die letzten 3 Monate aus? Zwischen erneutem Armbruch, der mich extrem an mich selbst zweifeln ließ, und Uni war da nicht viel, wenn dann viel Alkohol, durchzechte Nächte und anschließender Lernstress.

Rückblickend merke ich, dass diese eine Woche in der Natur, ganz alleine, diese seelische Auszeit seine Spuren hinterlassen hat. Die Woche war anstrengend, ungewohnt, ein riesiger Schritt aus der gewohnten Komfortzone, aber das große Ganze, das Erlebnis und die gespürte Freiheit machten eine Wiederkehr in den Alltag teils unerträglich schwer. Beinahe schon wie ein Kontrollverlust, ich verliere grade den Boden unter den Füßen. 

Die großen Fragen dabei sind doch: Was will ich wirklich? Bin ich jetzt gerade glücklich und kann meine melancholischen Phasen als völlig normalen Nebeneffekt meiner Persönlichkeit abtun? Oder bin ich unzufrieden und unglücklich, und versuche mit meinem Verhalten, die ständige Suche nach Ablenkung, auch in übermäßigen Alkoholkonsum, davon abzulenken? Wenn, dann müsste ich eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung mit Folgen. Was ist, wenn diese Entscheidung auf der falschen Annahme basiert? Und ich sie anschließend bereue?

Ich kann diese Fragen nicht beantworten. Vielleicht ist das auch besser so. Konzentration auf das Studium, auf die Arbeit und auf die Rückkehr auf den Fußballplatz. Da ist es wenig förderlich, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Um das ganze positiv abzuschließen, noch ein paar Worte von der wunderbaren Bloggerin Luisa Mayr, die wie ich finde die perfekte Balance zwischen Coolness und ehrlichen Weisheiten findet, und die sich auch mit meinen Fragen ausführlich beschäftigt hat (Danke!):

(…) Die Angst vor einer falschen Entscheidung wird immer da sein, aber sie wird leichter wenn man sich klar macht, dass das Leben immer weiter geht und mann immer die Möglichkeit hat, falsche Entscheidungen wieder gut zu machen. Nur darf man davor dann keine Angst haben. Anyway, ein gesundes “Ohhh, fuck that!” und einfach machen hat schon die wunderbarsten Dinge hervorgebracht. =)

An dieser Stelle: Fuck that, weiter geht’s…

33 Kommentare

  1. Was ist, wenn diese Entscheidung auf der falschen Annahme basiert? Und ich sie anschließend bereue?
    Aus meiner Erfahrung kann ich dazu nur eins sagen: Das Leben macht keine Fehler! Lass los. Lass dich drauf ein. Und sieh was passiert, was es mit dir macht. Schick dir ne fette Portion Mut. Entscheidungen können auch Spaß machen und erleichtern, weil man nicht mehr zwischen mehreren Optionen hin und her gerissen ist.

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  2. Klingt traurig, unzufrieden, unentschlossen, melancholisch und mir fällt nichts ein, was dir weiterhelfen könnte, aber es stimmt schon, die meisten Entscheidungen können korrigiert werden, wenn sich herausstellt, dass sie falsch waren. Es gibt auch auch genug Entscheidungen, die eben nicht rückgängig gemacht werden können und deshalb sollte man weitreichende und zukunftsweisende Entscheidungen „reifen“ lassen. Irgendwann kommt der Punkt, wo man genau weiß, was man will. Ich wünsch dir Mut und die richtigen Entscheidungen.

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  3. Oh dieses „soll ich/soll ich nicht/ja/nein/vielleicht Gefühl“ kenn ich nur all zu gut. War mein bester Freund im Frühling… Rückblickend kann ich sagen, der schlaue Spruch „Man bereut im Leben nicht das, was man gemacht hat, sondern immer nur das, was man nicht gemacht hat.“, der hat sich einmal mehr bewahrheitet. Die Entscheidung, in meinem Leben etwas grundlegend zu verändern anstatt weiter vor mir her zu grundeln war definitiv eine der besten Entscheidungen die ich je getroffen habe. Also wie auch immer du dich entscheidest bzw. wofür, ich drück dir die Daumen. 🙂

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  4. Entscheidungen kommen und gehen. Täglich entscheiden wir uns tausendfach in den kleinsten Momenten. Wenn du sie nicht triffst, dann trifft sie kein anderer für dich. Wie heißt es so schön? No risk no fun.

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  5. Der Blick von „oben“ auf das eigene Leben schafft oft Klarheit, dass alles gut ist, wie es ist. Ich nenne „Fehler“ Erfahrungen. Denn durch die Summe alles erlebten bist du jetzt, wer du bist! Und das ist gut! 🙂

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      1. Das sind psychologische Techniken… Sich mental hinauszoomen, beispielsweise die Perspektive eines Adlers einnehmen und „hinunterblicken“. Oder lernen, sich emotional zu distanzieren. Das bedarf natürlich Übung (oft jahrelang) und ggf. professionelle Begleitung….

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      2. Der Blick von oben kann aber auch Angst machen, man sieht all diese Details und damit auch die ganzen Dinge, mit denen man nicht im Reinen ist.. Klarheit schafft es allerdings im jeden Fall, und hilft dir ggf dabei zu erkennen, was geändert werden muss.

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      3. Ich glaube nicht, dass man gleich alles sieht. Weil unser Unterbewusstsein nur so viel freigibt, wie wir im Stande sind, in dem Moment unserer Entwicklung zu tragen. Selbst wenn wir manchmal glauben, dass uns die „Dinge gerade erschlagen“… Und auch wenn es viel ist, man muss ja nicht gleich alles ändern. Und manche Dinge davon erledigen sich über die Zeit auch von selbst 😉
        Ohne Stress wirkt alles viel weniger bedrohlich!

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      4. Da hast du schon Recht, bin auch generell kein Typ der sich großartig stressen lässt, aber was ich meine ist dass die Summe aller gleichzeitigen Probleme und Ängste bei näherer Betrachtung ganz schön hemmend wirken können, was die allgemeine Glücklichkeit angeht. Und das resultiert dann letztendlich bei mir in diese abrupt einsetzende Melancholie immer wieder…

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      5. Hast du schon Mal versucht, auf das zu achten, was dir Mut macht und auf die Dinge zu schauen, die laufen?
        Wie meinst du Melancholie?

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      6. Das ist einfacher gesagt als getan, manchmal fällt es echt schwer sich auf die guten Dinge zu konzentrieren.. Aber das ist natürlich eine Möglichkeit von den Gedanken wegzukommen 🙂
        damit meine ich so eine allgemeine Bedrücktheit, dieses Gefühl nicht wirklich zufrieden zu sein und irgendwo zu denken, man müsse was ändern.. wobei ich nicht sage, dass ich tatsächlich was ändern müsste. Schwierige Sache 🙈

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  6. OK, erstmal bin ich erleichtert das Du auch ausserhalb vom Norwegen Abenteuer so toll schreiben kannst… Ein sehr ansprechender Text der mit den wundervollen Worten „Fuck that, weiter geht’s“ endet!! Allein anhand des Textes bin ich mir sicher das Du auf nem sehr guten Weg bist. Ich drück Dir alle Daumen und werde Dich hier auf diesem Medium weiter begleiten… In diesem Sinne: FUCK THAT, WEITER GEHTS

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    1. Hey Lieblingsfotograf, keine Sorge, ich werde dich nicht enttäuschen und fleißig weiter schreiben 🙂 Danke dir für deine Worte, freu mich sehr dass du mich weiterhin begleitest und mich auf diesem Weg unterstützt! 🙂

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    1. Dankeschön Sam, sehr cool von dir! 🙂 Ich versuche so bald wie möglich die Fragen von dir und den leider immer noch offenen anderen Fragen zu beantworten.
      Btw, schöne Antworten hast du gegeben, gefallen mir 🙂

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  7. hi jim, ich kenne das. früher war das bei mir anders, urlaub war nett, aber nachhausekommen war irgendwo doch das schönste dran. davon bin ich heute meilenweit entfernt. und dazwischen ist irgendwie sowas wie „erwachsenenleben“ passiert. „shit happens“, kann man da wohl nur sagen…

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    1. „Shit happens“ trifft’s ziemlich genau, weil es irgendwo impliziert, dass man nicht wirklich was dagegen machen kann. Letztendlich ‚muss‘ man wieder zurück in seinen Erwachsenen-Alltag, aber bei Urlauben wie diesen ist das doch echt schwer… wobei ich nicht sage, dass ich nach einem einwöchigen Strandurlaub wieder gerne zuhause bin, aber so einen Urlaub kann man nicht mit dieser Auszeit in Norwegen vergleichen 🙂 Schön, dass du bei meinem Blog vorbeischaust, deine Bilder gefallen mir wirklich sehr! LG Jim

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      1. ja, das verstehe ich gut. aber ich finde es generell oft schwer in den alltag zurückzukehren wenn man das süße leben des ausbrechens kennengelernt hat, auch wenn es nur kurz ist.

        dankeschön, das freut mich. ich freu mich über dein like und über dieinen besuch!

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