Schiefer Horizont

Manchmal denke ich, dass der Horizont schief ist. Dass nicht ich meine Kamera schief halte, sondern der Horizont tatsächlich schief ist. Uneben, so als wäre er sich nicht seiner Aufgabe bewusst, gerade zu sein, eine horizontale Perfektion vorzutäuschen.

Blicke auf den Horizont münden in Sehnsucht. Irgendwo möchte ich hin. Am Horizont wartet die Antwort. Doch wann hat man schon mal die Möglichkeit, den Horizont zu sehen? Vor allem in einer Großstadt ist der Blick meist betrübt. Man will in die Ferne schauen, doch die vielen dichten Häuser und Straßenlaternen und Strommasten und der dunkle Smog viel zu vieler Autos und die Arbeit und die Verpflichtungen hindern mich daran.

Stattdessen schauen wir nach oben, in den Himmel. Wolkenlos, laut Wetter-App, die Sterne sieht man trotzdem nicht. Zumindest nicht in ihrer ganzen Strahlkraft, die sie besitzen. Blicke nach oben, zum universalen Horizont außerhalb der Atmosphäre, zerlaufen in Träume. Was wartet da auf mich? Zerlaufene Träume. Wartet da etwas besseres auf mich?

Einerseits wäre es doch recht langweilig, direkt immer zu wissen, was sich hinter dem Horizont verbirgt. Andererseits frage ich mich, ob ich es hier jemals schaffen werde, den Horizont klar erkennen zu können. Den echten Horizont, in seiner ebenen Perfektion, der mir sagt, hier bist du richtig, hier gehörst du hin.

Manchmal denke ich, dass der Horizont schief ist. Dass nicht ich meine Kamera schief halte, sondern der Horizont tatsächlich schief ist. Uneben, so als möchte er mir sagen, denk darüber nach, wo du sein willst, und begebe dich dorthin, denn hier, hier kann ich für dich nicht perfekt sein. Suche den Blick in die Ferne und ich verrate dir, ob du hier richtig bist. Dann werde ich dir auch so perfekt erscheinen, wie du es dir erhoffst.

kid_santamonica
Photo by Jim Kopf (c)

 

 

26 Kommentare

      1. Für das Lächeln auf meinem Gesicht trotz des Umstands dass meine Bahn auch an dem 4. Uni Tag meines Semesters ausfällt und ich mich nun mit einer Eintragung in das zugegebenermaßen lächerliche, neu eingeführte Klassenbuch konfrontiert sehe, gepaart mit dem völligen Unverständnis engstirniger Dozenten, die mit dem Begriff des Pendlers wohl nur eine seltene Ameisenart in den Tiefen des südamerikanischen Dschungels verbindet. Sorry, leicht abgeschweift.

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      2. 😀 sehr gut. Freut mich dass ich zumindest ein Lächeln hervorrufen konnte. Immer wieder gern, Draco. 😉 Lass dich nicht stressen. Bahnen sind halt einfach scheiße, kann man drehen und wenden wie man will. Sollten uns mal was überlegen wie wir es denen heimzahlen. Kack Bahn. 😀

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      3. Draco gefällt dir, wa?:D Hast du vollkommen recht, und ich rege mich auch nicht wirklich auf, versuche das nur mit einem sarkastischen Augenzwinkern zu kommentieren 🙂

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  1. Wie das mit dem Horizont so ist, ich denke nicht, dass man ihn irgendwie erreichen kann… ich denke allerdings auch dass das nicht sinnvoll wäre … wir brauchen etwas das vor uns liegt, etwas dass sich verändert und dennoch immer gleich ist … Und ist es nicht irgendwie auch das Ziel den Horizont zu erweitern, damit man mehr vor sich zu sehen kann und den Horizont selbst trotzdem weiter weggeschoben zu haben ?

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    1. Du magst recht haben, ohne Träume und Sehnsüchte die der Blick auf den Horizont erwachen lässt würde etwas essenzielles fehlen.. vielleicht ein Teil unserer Antriebskraft, die Dinge so zu tun wie man es für richtig hält. trotzdem aber halte ich es für erstrebenswert, dem Horizont näher zu kommen, einfach um zu wissen wo ich hingehöre.. schwieriges Thema 🙂

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  2. Ich liebe es am Meer zu sein oder wenn ich auf einem Berg bin, um den jeweiligen Horizont zu sehen. Es schenkt mir Frieden, um mein Naheliegendes zu entdecken und meine Antworten zu hören. Komme an, wo auch immer ich bin.

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    1. Das hast du sehr schön beschrieben, Erika und ich bin mir sicher, sobald man sich mit einem ebenen Horizont und seiner Bedeutung konfrontiert sieht, schenkt er Frieden und das Gefühl, angekommen zu sein. Danke für die schönen Zeilen!

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  3. Was Erika schreibt, kann ich nur bejahen und heftig mit dem Kopf nicken. Seit ich in der Großstadt wohne, fehlt mir der Blick in die Ferne, zum Horizont – einfach die Weite SEHR. Vorher habe ich auf dem Land gewohnt ohne Häuser vor mir und habe immer bis zum Horizont schauen können und wusste schon Stunden vorher, ob ein Gewitter kommt oder nicht.
    Deshalb werde ich/werden wir ca. in einem Jahr die Großstadt verlassen und wieder irgendwo hin ziehen, wo der Blick aus dem Fenster nicht aufs nächste Haus, Garagendach oder die Straße fällt. Großstadt hat unheimlich viele Vorteile, aber ich möchte gerne wieder anders wohnen und nehme den Weg in die Großstadt in Kauf. So oft muss man dort gar nicht mehr sein, wenn man nicht mehr arbeitet 😀

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    1. Ich bin begeistert, dass du diesen Schritt raus aus der Großstadt machst, hin zu einem Ort, wo du (sehnsüchtig) einen klareren, erfüllteren Blick in die Ferne hast 🙂 Ich kann deine Gedanken einfach total gut nachvollziehen, vor allem, weil ich nur gaanz selten die Möglichkeit bekam, diesen Fernblick auf den Horizont zu erleben..

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      1. Ach, ich sage einfach mal so, ich bin ein „Landkind“ – auf dem Land aufgewachsen – in freier Natur sozusagen – dann immer in der Peripherie von Großstädten gelebt, trotzdem aber auf dem Land mit Weitsicht. Erst jetzt seit 6 Jahren lebe ich mitten in Dortmund und empfinde das als „Einschränkung“. Nicht nur, dass man nie freie Sicht hat – schon gar nicht zum Horizont – sondern, dass auch durch die Helligkeit in Städten der Sternenhimmel niemals wirklich gut sichtbar ist.
        Aber unter „Horizont“ ist ja vieles zu verstehen und so manch eine(r) kann zwar täglich bis zum Horizont sehen und hat dennoch nie den „Horizont erweitert“.
        Einer der schönsten Augenblicke ist immer, wenn man z.B. am Meer die Sonne am Horizont auf- oder untergehen sieht. Die weite Sicht aufs Meer hinaus, der riesige Feuerball ….. das sind wunderbare „Aussichten“ 😀

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      2. Kann mir sehr gut vorstellen, wenn man vom Landleben so durchdrungen wurde und plötzlich nicht mehr so klar den Nachthimmel erkennen kann, dass das dann keine schöne Sache ist.
        Und ja, diese Aussicht ist einfach der Wahnsinn.. zum dahinschmelzen.. durfte es fast 3 Monate jeden Tag in Kalifornien erleben.. seitdem träume ich immer wieder davon, also ich kann dich da sehr gut verstehen 🙂

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    1. Ich freue mich sehr wenn ich das in dir ausgelöst habe Markus! Das gibt mir das Gefühl, nicht allein einen Gedanken zu betrachten, vielmehr ihn zu teilen um dann vielleicht zusammen zu einer Erkenntnis zu kommen…
      Danke!

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  4. Oh Jim Kopf….ohhh.
    Ich weiß nicht, aber deine Worte berühren mich jedes Mal, wenn ich sie zu lesen bekomme. Sie hinterlassen komische Gänsehaut auf meiner Haut und Gedanken in meinem Kopf. Himmel noch mal, was stellst du bloß mit mir an?

    PS: Mein Horizent hängt leider auch schief. Schon lange.

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    1. Dass ich dich auf diese Art so sehr erreiche macht mich glücklich, denn genau das will ich neben dem Bewältigen meiner eigenen Gedanken auch erreichen. Noch mehr hoffe ich aber, dass dadurch vielleicht irgendwie ein Weg entsteht, dass nicht nur mein, sondern auch dein Horizont (wieder) eben wird…

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  5. „Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn’t do than by the things you did do. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbour. Catch the trade winds in your sail.
    Explore. Dream. Discover.“ (Mark Twain)
    Also, geh‘ los! 🙂 Was auch immer dich am Horizont erwarten mag…
    Lea

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    1. oh wie ich dieses Zitat liebe 🙂 Du weißt, ich kann grad nicht losgehen.. aber ich werde in Gedanken daran festhalten und mich nach dem sehnen, was dort auf mich wartet 🙂 Danke Lea!

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  6. Ein schiefer Horizont. Ich glaube, den sehe ich auch häufiger 😀
    Vielleicht ist es ja das gesuchte Glück, das sich hinter dem Horizont versteckt. Oder der Horizont selbst ist sogar das „Glück“. Wir mögen ihn nicht wirklich erreichen können, aber das müssen wir vielleicht auch gar nicht, wenn wir auf unserem Weg einen Platz finden, der einen klaren Blick auf den Horizont bietet.

    Dazu passt ein Zitat von Kurt Marti: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.“

    Also, auf geht’s 🙂

    Liebe Grüße, Chris

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    1. Ich denke dadurch hast du meine Gedanken ziemlich gut ergänzt, danke dafür! Und bäm, dieses Zitat kannte ich nicht und ich finds sau gut.. ich nehme mir immer vor Zitate zu merken, sie gedanklich abzuspeichern und meine Texte damit zu bereichern, allerdings kriege ich das nie gebacken.. sie formvollenden einfach jeden Gedanken so schön 🙂

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  7. Wundervoll wie eh und je. Wären doch mehr Menschen so achtsam, so sanft und hingebungsvoll, wie mir dein Charakter zwischen deinen Zeilen entgegenblickt. Ich glaube, du bist hingebungsvoll im Sinne auf das Leben. Du lebst es. Du gibst dich ihm hin und versteckst dich nicht. Wer kann dies schon von sich behaupten? Ich bewundere dich.

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    1. Hi du, ich musste erst einmal ziemlich grinsen, dass du dir meine letzten Beiträge alle in einem Stück durchgelesen hast, danke dafür!
      Was deine Worte angeht, sie begeistern mich sehr, siehst du mich doch in einem Licht, das ich anstrebe, wie ich sein möchte, definitiv nicht immer hinkriege, aber es ist die Art und Weise zu leben, wie ich sie für mich entdeckt habe. Ich fühle mich wohl in deinem Kompliment! Nur die Bewunderung halte in Grenzen, diese Texte entspringen Stimmungen, die ich wie eine unzufriedene Wolke hinter mir her ziehe & mich ständig nach etwas sehne, dass ich zur Zeit nicht haben kann und vor allem etwas, das ich noch nicht einmal richtig identifiziert habe. Das versuche ich insofern zu überspielen, dass ich jede einzelne Möglichkeit auszunutzen versuche, mich davon abzulenken, indem ich in so kurzen Abständen wie möglich aufregende Dinge in meinen Alltag zu packen versuche, in die ich mich hineinstürze, das klappt mal mehr, mal weniger, dazwischen, nein täglich, da sind diese ruhigen und einsamen Momente, die ich liebe, in denen ich das „große Ganze“ haben will, das allumfassend Glückliche, das noch so weit hinter dem Horizont versteckt ist, für den Anfang aber erfüllt es mich, zu Beobachten, zu denken, mich inspirieren zu lassen von den Eindrücken. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern die Gesamtheit dieses Charakters glücklich macht, vielleicht nur langfristig gesehen… Puh, ganz schön verwirrend mein Kopf hier gerade, aber ich hoffe du erkennst den Ansatz in dieser Differenz, weshalb „Bewunderung“ vielleicht zu extrem wäre.
      Ganz liebe Grüße,
      Jim

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      1. Da scheint sich noch Einiges einen Weg oder – besser formuliert – einen Platz zu suchen bei und in dir. Und du scheinst dir dessen bewusst, auch wenn du einige Ausweichmanöver startest. Diese finde ich im Übrigen ziemlich normal. Ich stufe dich mal in diesselbe Kategorie ein wie mich – unsere Seelen denken zu viel und sprechen manchmal zu wenig (wobei dieser Aspekt bei dir natürlich reine Spekulation ist). Da kann es schnell passieren, dass der Kopf durchdreht. Ein bisschen zumindest. Und dann muss man da raus. Raus ins Leben. Logisch, oder? 😉
        Und um dir gerecht zu werden, möchte ich meine Bewunderung „einschränken“ und sie sich vorerst auf deine wundervollen, anmutenden Zeilen konzentrieren lassen. 😀

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      2. Ich denke damit triffst du den richtigen Gedanken, wir sitzen lethargisch in einer Gedankenwolke, die sich nicht aussprechen lässt, nicht umsetzen lässt, zumindest noch nicht. Ich mag deinen Ansatz, klingt logisch 🙂
        Hehe, danke dir!

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