Von der Pflicht des Zurückkommenmüssens

An diesem Donnerstagmorgen sitze ich in einem ungewohnt leerem Warteraum mit gewohnten Schmerzen im Oberschenkel. Es ist kalt draußen, über der Stadt hängt noch der Rest der Nacht, ein blauer Schleier aus Nebel und einer dichten Wolkendecke. Das Grün der Inneneinrichtung wirkt aufmunternd, aus dem Grund, dass die Farbe aufmunternd wirken soll, was mir bewusst wird, jetzt wirkt das Grün nicht mehr aufmunternd. Bin sowieso zu müde, um jeglichen Gefühlen einen Raum zum entfalten zu geben. Ich könnte genauso gut dieser schwarze Mülleimer dort in der Ecke sein. Der verbringt sein ganzes Leben im Wartezimmer. Und nur seine Seele in Form des Müllbeutels darf auf gelegentliche Freigänge hoffen, um anschliessend vollkommen leer und unerfüllt wieder zurückzukehren. Armes Ding. So geht es mir auch auf meinen Freigängen. Der Alltag ist das Wartezimmer, dieses Triste, Trostlose, Unheilvolle, und jeder Freigang ist von so Vielem erfüllt, dass die Rückkehr umso schmerzvoller erscheint. Es ist das Wartezimmer auf das Leben. Auf das Leben, in dem es keine Rückkehr gibt, schlichtweg weil es das Leben ist, das man führen möchte. Und es wird verdammt Zeit, dass sich das Zurückkommen von seinen zwanghaften Eigenschaften löst, vom Müssen und den dominierenden Pflichten. Zurückkommen müssen ist nämlich so eine Pflicht. Zurück in das Wartezimmer, in dem ich mal wieder bin. Schmerzen im Oberschenkel. Eine Nacherscheinung meiner letzten Reise? Oder ist das ganze etwas rationaler, also schlichtweg ein Ausdruck des überbeanspruchten Körpers, der Fußball spielt und arbeiten geht und für die Uni lernt und von dieser boshaften Erkrankung mit dem Namen Alltag infiziert ist? Rationales denken ist doch nicht so meine Stärke, muss ich bekennen. Träumen aber kann ich gut. Wie Walter Mitty. Cooler Typ.

9 Kommentare

  1. Es schafft keiner so wie du, mich gleichzeitig zu motivieren, Ziele und Träume zu verfolgen und dabei eine beinahe schmerzhafte Sehnsucht zu entwickeln 🙂 Ja, das ist ein Kompliment.

    Was machen die Schmerzen? Besser? Habe gerade gestern in einem Buch gelesen, dass Schmerzen in den Beinen gerne von einem verspannten Kreuzbein ausgehen und das nach der Dorntherapie seelisch der Frage „Wie wird die Last des Lebens getragen?“ zugeordnet wird. Kam mir sehr treffend vor. :-*

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    1. Ein wahnsinnig tolles Kompliment! Danke Luisa, das höre ich sehr gerne und macht mich stolz 🙂
      Nunja, noch nicht wirklich besser… aber du hast recht, das mag sehr treffend sein. Eine schöne und gleichzeitig nachdenklich machende Erkenntnis.. 🙂

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  2. Da fällt mir irgendwie ein:

    „Ey wir sitzen im Wartesaal zum Glücklichsein
    Zum Glücklichsein
    Und wir sitzen im Wartesaal und warten mal
    Und warten mal

    Und stützen unsere Köpfe, wenn sie wieder zu schwer sind
    Und sitzen im Wartesaal und warten mal…“

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  3. Der Mülleimer bekommt einen neuen Beutel und ist seine Last los…
    Wir müssen uns mit unseren „Lasten“ arrangieren, sie verarbeiten oder einfach nur das Leben leben. Schöner Text, vielen Dank, sehr schön geschrieben. Hoffe Dein Bein hat sich beruhigt. 😊🍀👍 Liebe Grüße Maren

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