Ein Roadtrip durch die USA – Reise ins Paradies (1)

Noch eine letzte Steigung. Wir können ihn schon hören; das Rauschen des Wasserfalls breitet sich zwischen den mächtigen Steinwänden des Grand Canyon aus. Gott, ich kann nicht mehr, sagt sie und will einfach nur noch da sein. Wir haben es gleich geschafft, sage ich, sehe den Wasserfall und blicke einen Abhang hinunter. Jetzt nur noch da runter…

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3 Tage vorher

Nach elf Stunden Flugzeit landeten wir in Los Angeles. Sie hat die ganze Zeit Filme geschaut, während ich versucht habe zu schlafen, doch das ging nicht. Dann halt mein neues Buch durchlesen. Walden. Am Ende des Fluges hatte ich satte 23 Seiten gelesen. Ein Wahnsinnserfolg. Der Wahnsinnserfolg für sie bestand darin, dass wir den Flug überlebt haben. Ihre Flugangst konnte ich selbst am Abend noch in meiner zerquetschten Hand spüren.

Zunächst aber erstmal den Mietwagen abholen. Wie so üblich, und entgegen aller warnenden Erfahrungen, drückte uns die miesgelaunte Sixt-Mitarbeiterin noch eine Autoversicherung rein. Ich warf ihr meinen bösesten Blick zu, den sie schmunzelnd und siegessicher missachtete. Blöde Kuh, dachte ich und sagte, danke für den Schlüssel. Das Auto, ein Chevrolet Malibu, war so modern, dass ich ihn nicht starten konnte. Einfach so auf den Knopf drücken wäre ja zu einfach. Ich drückte alle Knöpfe und zog alle Hebel, aber es nützte nichts. Nach einer Weile half mir eine andere Mitarbeiterin, indem sie die Bremse und den Knopf gleichzeitig drückte. Gut zu wissen. Langsam rollte ich los, doch wieder kam mir eine Mitarbeiterin hinterher gerannt. Ich stoppte, sie lief vor das Auto und schloss die Motorhaube. Ein paar Fahrzeugmechaniker, die unmittelbar daneben standen, lachten herzlich. Ich verzog meine Mundwinkel zu einem dünnen Lineal, die denken doch bestimmt, in einer halben Stunde ist der Typ wieder da und das Auto ist schrott. Ein guter Start.

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Wir ruhten uns in einem schnieken Vier-Sterne Hotel aus, frühstückten am nächsten Morgen acht Waffeln mit Rührei, Hähnchen und Ahornsirup und machten uns auf dem Weg nach Kingman, Arizona. Fluffige sechs Stunden Autofahrt, dabei gute 200 Kilometer über die Route 66. Das Motel in Kingman war erwartungsgemäß eher schlicht gehalten und die Zimmertemperatur glich einem Hochofen.

So, jetzt mal überlegen. Morgen früh soll es losgehen. Zu den Havasu Falls. Was packen wir für den Trip ein? Können ja schlecht den 23kg-Koffer mitschleppen. Notdürftig stopfen wir unsere Rücksäcke voll, eine Badehose, ein Handtuch, ein Ersatzshirt, Badutensilien, Kamera, drei Wechselobjektive, Stativ und jeder 8 Wasserflaschen. Dazu geschätzte 96 Protein-Riegel, weil der Wanderweg zu den Wasserfällen 4-6 Stunden dauern soll und mobile Bratwürstchen-Stände im Grand Canyon eher rar anzufinden sind. Ich google noch schnell „Havasu Falls Vorbereitung“. Hätte ich nicht machen sollen. Kurz zusammengefasst: Es wird die härteste Wanderung deines Lebens sein. Für meine leicht nervöse Begleitung eher relativ: Sie war noch nie wandern. Für mich war die Beschreibung leicht dramatisch, aber definitiv warnend; die brutale Hitze, die Nichtanwesenheit von Schatten und dass man aufpassen sollte, dass man von den ab und zu vorbeilaufenden Wildpferden nicht über die Klippe gestoßen wird.

Nach einer überaus schlechten Nacht fuhren wir um 6 Uhr morgens auf der einzigen Straße weit und breit tief in Natur rein. Nach und nach veränderte sich die Landschaft: Wo vorher Wüste war, kamen nun Wälder, dann wieder kaum bepflanzte Ödnis, bis wir den Grand Canyon auf der Südseite erreichten. Die Straße endete in einer Sackgasse, der Anfang des Havasupai Trailheads.

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Der Beginn des Havasupai Trailheads. Einfach in den Grand Canyon hinein…

Wir waren spät dran, mittlerweile war es 9 Uhr, wir würden voll in der Mittagshitze landen. Einige abgekämpfte Wanderer, darunter eine Schulklasse, die womöglich einem Härtetest unterzogen wurden, stiegen den steilen Hang zu uns herauf. Die sahen echt fertig aus. Ich sah den Respekt in den Augen meiner Freundin vor der kommenden Herausforderung, nahm sie in den Arm und brüllte ihr dann wie ein übermotivierter Football-Coach die legendären Worte ins Ohr: Können. wir. das. schaffen? Sie lächelte und flüsterte: Jau, wir schaffen das. Es konnte losgehen…

31 Kommentare

  1. Also Jim dein Schreibstil ist wirklich herausragend! Ich liebe liebe liebe es wie du diesen ersten Teil eures Trips geschrieben hast und fühl mich, als wär ich direkt dabei gewesen 🙂 bin schon gespannt auf Teil 2 und 3 und so weiter!

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      1. Genau das Thema wie bei mir…nur das ich schon einen Anfang gemacht habe….ob das was wird? Mein Selbstzweifel klopft ständig…kann echt anstrengend sein…du weißt aber schon, das ich dein Buch dann von dir signiert haben will 🙂

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  2. Ich bin auch riesen Amerikafan…vor allem die Westküste hat es mir angetan. Veröffentliche dazu auch bald einen Post über Los Angeles. Weiter so! LG Tiziana von Honestlyps

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