Tieftraurige Wolken stürzen sich auf die schroffen Felsen. Wind schießt scharf umher. Unbarmherzig hebt sich das Meer auf und ab, und an der Küste prallt es ab. Schaum entsteht, doch ehe es sich an die große Mauer binde kann, stülpt sich eine neue Welle über ihn. Während das Weiß am unteren Küstenrand somit von flüchtiger Natur ist, jedoch eine solche, die sich seit Jahrtausenden unaufhörlich wiederholt, ist der Stein, an dem es sich immer und immer wieder schmiegt, eine unerschütterliche Konstante. Vom Wind unbeeindruckt, vom Meer unbeeindruckt, vom Menschen unbeeindruckt. Mit kaum einer Vorstellung kann erdacht werden, wie die Küste wohl mal ausgesehen haben mag, oder wie sie irgendwann mal aussehen wird. Sie ist das Abbild des Unveränderlichen. Ein sich niemals öffnender Kokon aus Erde. Sie wirkt stark und zäh, sie trotzt dem Lebendigen. Hunderttausende Menschen trampeln auf ihr, Hunderttausende, die den Wind, den Regen, das Meer genießen, aber vor allem die Geborgenheit der Küste, die daraus entsteht, dass sie einer Hoheit ähnelt, einer Größe, die man anerkennt und zu der man sich fast automatisch sehnt. Wir Menschen suchen stets etwas, dem wir uns unterordnen können, und sei es bloß eine berühmte Küste, deren Anblick wir mit den Liebsten teilen. Doch ich frage mich, und ich frage dich, ist dies genug? Sollte nicht mehr möglich sein? Wir können uns wohl schlecht mit ihr verbinden, dies ist die Grenze zwischen der Erde und seiner Bewohner.
Oh, wie traurig mich das macht. Auf den Knien sitze ich im feuchten Lehm abseits der Touristen, bin viele hunderte Meter auf dem schmalen Pfad gelaufen, um etwas auszuprobieren. Vom Regen vollgesogen, dringt die Feuchtigkeit des Bodens durch meine Jeanshose. Meine Handflächen flach auf der Erde, ich ertaste Stein, Schlamm und einzelne Grashalme. Kanten und Ecken des Steins fühle ich, dazu kaltnasse Masse, etwas, das schwerer ist als Wasser, das langsamer durch die Finger gleitet, und weiche Äste des Grases. Geschlossene Augen. Peitschende Luftzüge auf den Fingerkuppen, am unbedeckten Nacken, auf den Wangen. Vereinzelt Regentropfen, die dünn sind, die schmal sind, die auf mein Haar fallen und sich auf die Kopfhaut legen, um zu rasten. Dazu ein Meer, das rauscht, erbost, aber friedlich, ein gleichmäßiger Atem der formlosen Unendlichkeit. Wie berührt sinke ich herab, es scheint, als würde mich die Küste aufnehmen. Vom Gefühl, zu sinken, ist äußerlich nichts erkennbar, in den Küstenstein kann nichts sinken. Wogegen im Inneren alles zusammenläuft, in zuckenden Sequenzen, Wasser, Wolken, Wind, Stein, Lehm, Gras, zu einer solchen Wucht akkumuliert, dass Leere entsteht, in die man fallen kann, wenn die Vergangenheit und die Zukunft, so unmittelbar sie auch sein mag, vergessen und vertrieben wird und der Moment das einzig relevante Gefühl ist, auf das alle Sinneseindrücke zufließen. Das ist es, das Versinken in einem Gefühl purer Echtzeit. Das ist mehr, das macht die Natur möglich.

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