Reisefieber

Reisen bedeutet, in den schöneren Kreisen der Welt zu verkehren, Horizonte zu vermehren und sich nicht um den Dreck in seiner Heimat zu scheren. Hört sich egoistisch an und war ja auch nicht meine Idee mit dem Reisen, sind nur meine Gedanken die Alaska und Neuseeland umkreisen, wegen Filmen wie Into The Wild, wo ein junger Mann in der Natur verweilt und leider auch stirbt aber das ist egal und wegen den hochglanzpolierten Youtubevlogs und filmographierten Backpackertrips, in denen großflächig abgebildete Satintangaslips in Zeitlupe ein besseres Leben vorschweben, während man selbst im Abendregen seiner grauen Großstadt den Bremswegen viel zu vieler Autos nachschaut und davon träumt, in vollen Zügen auf Langstreckenflügen die Welt zu genießen, auf den Job zuhaus’ zu scheißen und einfach alles hinschmeißen. Sag deinem mütterlichen Elternteil Lebewohl, und bei deinem Dad meldest dich erst gar nicht, deinem einstigen Idol aber seit der Trennung nicht mehr als ein Symbol für Alkohol und schon bin ich weg, wate ohne Mate im Dreck der Anden und denke schmunzelnd an Kommilitonen in zu schweren Klausuren bruchlanden und damit ich mich noch besser fühl poste ich drei Bilder auf Instagram und Facebook und meine Snapchat Story ist eh schon zwanzig Minuten lang, Leute, just follow the sun, ich habs hier so viel besser als ihr meine Lieben, während ich mit Berg-ziegen chille guckt ihr Halligalli auf ProSieben und eigentlich wollte ich keine Folge mehr verpassen, mein Geld mit euch Saufziegen auf wöchentlichen Bartouren verprassen und mich in Sackgassen prügeln, um irgendetwas das fehlt in meinem Kopf auszubügeln, vermutlich etwas, das in Ordnung ist, Familie, Alltag und Gesellschaft, fallen da schonmal weg, ich könnts versuchen mit Crack, aber dafür bin ich nicht der Typ, eher so Kiffen und Rauchen bis der Finger glüht und der Kopf weit weg von dem Alltag deiner Probleme die letzten Selbsterhaltungssysteme überwindet und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Ja egal, denke ich bis zu einem Punkt, es funktioniert ja eh nichts mehr, dann kann ich auch weit weg, oder doch Crack, ne lass mal, lieber ab nach Senegal oder Alaska zum Magic Bus wo dieser Typ McCandlless eher less erfolgreich nach 16 Wochen ne vergiftete Knolle isst und erst dann und nicht vorher seine Eltern und Freunde vermisst und schon ist er tot, umgeben von Bärenkot und dem alaskanischen Morgenrot. Vielleicht dann doch lieber Malle mit den Jungs, im peinlichen Gemeinschaftstshirt zur Abflugs-halle und drölf Bier für das Scheidungs-kind in mir.

20 Kommentare

  1. Tu es!!! Und lass Malle stecken 😉 Aber das muss ich Dir nicht sagen! Sehr cooler Text zum mitdenken und hinterfragen… Ich kann es immer wieder nur sagen: Tu es! Ich hab das viel zu selten gemacht und bereue es teilweise auch. Heute würde ich evtl. einiges anders machen. Und auch nicht. Das Leben kann manchmal echt ne beschissene Zwickmühle sein… Und trotzdem gehts mir heute gut. Und ich bin mir auch ganz sicher das Du nach Dir schaust und das tust, was im Endeffekt Dein Herz sagt…! Hau rein!

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  2. So viel Wahrheit, die ich vorher gar nicht greifen konnte!
    Du hast so viele Dinge ausgesprochen, die ich zuvor nie geschafft habe in Worte zu fassen… danke dafür.
    Toller Text 🙂

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  3. kann ich das bitte als poetry slam vortrag von dir vorgetragen bekommen? mit stimme und betonung und alles? 😬✌
    wie du heute gelesen hast, kann ich deine wortaneinandersetzungen riechen. hier auch schmecken.
    ein feuerwerk ist das! unglaublich.
    ich könnte auch wetten, dass es bei dir ähnliches gibt.
    farben vielleicht oder musik in deinem kopf?
    ich freue mich jedenfalls sehr, dich gefunden zu haben. 🙏 danke an kuno. 😘

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    1. Ich habe tatsächlich schon einmal drüber nachgedacht… vielleicht kommt da ja was im Laufe des Jahres, ich lass es dich wissen! Tausend Dank aber erst einmal für deine Worte, das bedeutet mir viel! 🙂

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  4. Wow, toller Text!! Vielen Dank dafür.
    Into the Wild – dieser Film hat auch mich gefesselt und in mir den Gedanken geweckt einfach abzuhauen. Bis jetzt bin ich aber immer noch hier …

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    1. Vielen lieben Dank! 🙂 Wie das so ist mit den inspirierenden Filmen… man fühlt sich so ergriffen davon, dass man es sofort in Angriff nehmen möchte. Und dann vergehen erst einmal ein paar Jahre…

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