Es wird Zeit für die nächste Reise. Nunja, nennen wir es nicht Reise, denn Reise nenne ich ab sofort nur noch diejenigen Selbstfindungstrips, auf die ich mich alleine begebe, die hinaus in die Welt abseits der bekannten Metropolen und allem Gewohnten führen. Nennen wir es schlicht und einfach Trip. Ein Städtetrip mit Brudi.
Wer ist dieser Brudi? Brudi ist ein guter Freund. Einer der besten. 4 Jahre älter als ich, fast wie ein großer Bruder. Allerdings unweit reifer als ich. Manchmal nennt er sich Kai, manchmal Luca Montinari je nach Stimmung und Ort, aber immer ist er eins: Brudi. Denn Brudi impliziert ein gewisses Maß an Vertrauen, Loyalität und Charakter. Aber vor allem: Spaß. Freude. Lebensfreude. Mit ihm sind Unternehmungen eine Hommage an die Freundschaft. Vergessen sind die Sorgen und Probleme. Eine Auszeit vom tristen Alltag inmitten ernster Menschen, die mal mehr und manchmal weniger ihren Sinn für Humor, ihren innerlichen Triumphzug entgegen der Spießigkeit vergessen. Er ist zudem der einzige Mensche den ich kenne, der noch lustiger ist als ich. Das ist dann nicht nur für mich eine Bereicherung, sondern auch für die gesamte Menschheit im Umkreis von 15 Metern, die an unserer unfassbar guten Laune teilhaben können. Schuld daran ist nicht nur unsere unfassbar witzige, im Doppelpack exponentiell wachsende Lingualartistik und Vokalakrobatik, sondern auch unsere größte Leidenschaft: Bier.
Jede gute Geschichte, jeder gute Ausflug in die europäischen Ballungsräume fängt an mit einem Bier. Dass es nicht bei einem Bier bleibt, liegt hauptsächlich an einer in Stein gemeißelten Regel: Vor dem Bier ist nach dem Bier. Also, ist das Bier leer, muss schnell das nächste her. Wir verteidigen uns meist dadurch, dass wir jegliche Verantwortung von uns sträuben; wir haben die Regel nicht gemacht. Vorsichtshalber merke ich aber an, dass wir zwei durchaus zilivisierte Chaoten sind, die mit etwas Dreistigkeit, maximaler Höflichkeit und schelmisch-sympathischen Grinsen keiner Fliege etwas zu Leide tun. Es tut gut zu sehen, wie unsere nicht zu übersehende Laune auf die Mitmenschen übertragen wird. Unsere Friseurin kennt das nur zu gut, gleicht doch der Friseurbesuch für Außenstehende, die zur selben Zeit dort anzutreffen sind, einem Abend im Quatsch Comedy Club. Verstärkt wird die Situationskomik durch unsere Spontanität. Eine Idee ablehnen? Unmöglich. Es ist so ein bisschen wie in dem Film Der Ja-Sager.
Unnötig zu erwähnen, dass ich in diesen Phasen keine Möglichkeit sehe, mich mit tiefergehenden Gedanken zu beschäftigen. Und das ist verdammt gut so.
Also, wo gehts nun hin? Meine Intention Anfang Dezember, als ich zum ersten Mal eine kleine Reise/einen kleinen Trip in Betracht gezogen habe, war Schnee. Tatsächlich, ich wollte einfach nur in den Schnee, weil der Schnee essentiell wichtig für meine Befindsamkeit ist. Im Westen nichts neues. Bedeutet, kein Schnee. Aber wo gibst Schnee? National beschränktes Denken fällt mir schwer, daher waren jegliche Reiseziele innerhalb der Republik ausgeschlossen. Und plötzlich fiel es wie ein kristallisierter Flocken vom Himmel vor meine Füße, direkt ins Wohnzimmer meiner Sehnsucht: In Norwegen. Und wer ist in Norwegen? Genau!
Dann passierten allerdings zwei nicht vorhergesehene Dinge:
1. Miss Norway hat einen Freund. Das wurde mir just in dem Augenblick klar, als ich es auf Facebook lesen durfte. Dabei ware ich nur noch wenige Sekunden von der Reisebestätigung entfernt. Ich will ihr keine Vorwürfe machen, immerhin scheitert heutzutage meist jegliches Aufkeimen vorsichtig angelegter Gedanken an potenzielle Fernbeziehungen schon beim bloßen Anblick der Kilometeranzahl, die sich wie die Meerenge von Gibralter zwischen die beiden Liebenden drängt. Wir waren eh zu verschieden. Naja, eigentlich nicht. Ach fuck, es passte einfach alles. Egal, sag ich mir, ich werde dich schon noch einmal kennenlernen, vielleicht bist du dann eine neue Gestalt mit einer anderen Haarfarbe. Vielleicht gibt es dich ja schon, nur 2000 Kilometer näher zu mir. Etwas nachtrauern liegt mir sowieso nicht.

2. Ich habe jemanden kennen gelernt. Höhö. Sagt sie immer aus Verlegenheit. Auch ich bin recht verlegen, denn wie sollte es auch anders sein, sie wohnt ebenfalls recht weit weg. Aber dazu eventuell mehr in Kürze. Demnach wäre eine Reise nach Norwegen im Hinblick auf die gerade eben erst besuchte (unglaublich sympathische, blonde) Dame sowieso kein vielversprechendes Unterfangen gewesen.
Absolut folgerichtig entschloss ich mich dazu, die Selbstfindung auf meine nächste Reise zu verschieben und stattdessen mit Brudi einen geilen Trip zu planen. Und verdammt, jetzt hab ich’s immer noch nicht verraten, wo wir hinfliegen. Es geeeeht naaaaach…
Stockholm (ist in Schweden, für die Teilzeit-Bucketlist-Kartografen, mich eingeschlossen, hat nicht den Euro),
und von dort aus drei Tage später naaaaach…
Helsinki (hat den Euro, für die Ahnungslosen, mich eingeschlossen).
Lass‘ mich mal kurz ’ne Charakteristika für diesen beiden Städte abgeben. Stockholm und Helsinki im Januar. Zwischen -10 und -20 Grad herrscht dort zurzeit ein, nun, recht frisches Klima. Der Wind bewegt sich zwischen 3 und 6 Meter pro Sekunde, bedeutet eine weitere Temperaturveränderung bis zu gefühlten -11 bis -49,3 Grad. Dafür dass ich schon friere, wenn das Quicksilber des nostalgischen Thermometers einen Milimeter unter die sommerlichen 20° Grad fällt, ist das Reiseziel durchaus, nun, ich will mich bescheren, durchaus unbedacht gewählt. Ein instinktiv einsetzendes Durchzucken meiner Synapsen schaut neidisch auf Miami, das ebenfalls in den Top 19 der möglichen Städtetrips im Rennen war, allerdings aufgrund eines abgelaufenen Reisepasses und dem Unvermögen, sich um einen kurzfristigen Ersatz zu kümmern, elendig ausschied. Aber hey, ich wollte ja in den Schnee. Und Stockholm hat ’ne Menge davon und Helsinki sogar noch mehr.
Stellen sich jetzt eigentlich nur noch ein paar Fragen: Werden wir überleben? Werde ich noch alle 10 Finger auf der Rückreise beisammen haben? Wie stehts um die anderen Gliedmaßen? Laut einigen Dokumentationen über die Todeskälte Sibiriens, die an für sich identisch mit Stockholm und Helsinki ist, können nicht nur die Fingerkuppen als Eiszapfen abfallen. Ich notiere „aus Sorge um die Resistenz meiner Gliedmaßen: Testament anfertigen (meine Playstation kriegen die Flüchtlinge, auf gar keinen Fall Kai, der soll sich mal ’ne eigene holen)“ in die Notizen meines Smartphones.
Werden wir also dem Arktischen Klima strotzen und werden unsere Mundwinkel unbeachtet dessen im Zuge einer schneedurchtränkten Runde Flunkyball das Maximalmaß an glücklicher Lebensfreude ausdrücken? Werden wir im Kühlschrank Europas die frierenden Mitmenschen mit einem Funken Glücklichsein anstecken können? Aber die wichtigste Frage ist doch: Gefriert das Bier bei -15 Grad?
Ich melde mich wieder wenn ich überlebt habe, bis dahin und liebe Grüße,
Jim Kopf


Hinterlasse eine Antwort zu kinder unlimited Antwort abbrechen