Im Rausch des Frühlings

Vom Sonnenlicht aufgewärmt glühte das blauschwarz karierte Muster des Sitzüberzuges in der Regionalbahn wie die Hitzewallung über dem Grill oder im Hochsommer, die zittrigen Schwingungen der Luft verformten den Raum über der Sitzgelegenheit zu einer andersdimensionalen, schwülduftenden Umgebung, in die sie eintrat, um zum Meer zu fahren. Der Zug kroch aus dem Halt und ließ gemächlich den Bahnhof und die Stadt und damit das Silbergraue und Angeordnete hinter sich und öffnete sich dem Rauschen der vorbeihechtenden Fichten, Birken und Tannen und Gräser, Büschen und Wiesen und dem Natürlichen, dem Unbefleckten. Hinter einer Anhöhe, an der die trübe Stadtluft brandete und zurückgeworfen wurde, lag ein Meer aus Farben, die in den Baumkronen unterhalb ihrer glänzenden Augen vorbeiglitten, durchdrungen von einem schwachen Nebel, der nichts entkräftete, im Gegenteil, eher sättigte und seinen diesigen Umhang geheimnisvoll um die Blüten und Blätter warf. Die Spuren des vergangenen Winters schmolzen dahin, das Kahle und Entblätterte wich florierender Baumstammbraun- und Blattgrüntöne, die sie in beeindruckender Intensität wahrnahm, so hellbraun und dunkelgrün und schattenbraun und lichtgrün, doch nichts meisterhaftgrünes, nichts tadellosbraunes, weil in den Farben noch etwas lebhaftes gedieh, etwas, das auf der Suche war, das seine fotosynthetischen Hände zu der idealistischen Farbgebung ausstreckte, die der Sommerbaum und das Sommerblatt besitzen. An entlaubten Furchen strahlten plötzlich den Gleisrand säumende Buchen und Eichen in märchenhaften Pastelltönen, dunkel und im Schatten ihrer wuchtigen Blätterkränze, aber sie sah nichts dunkles, für sie war der Anblick so hell wie magisch, in leichter Verträumtheit sah sie zwischen den Bäumen einen mächtigweißen Pegasus ausbrechen, der sich über dem Wald erhob und als wolkenlose Reinheit im Blau des Himmels verschwand, bis das Blau über den Horizont lief und sich im zarten Aufbäumen des Meeres verlor.

4 Kommentare

    1. Oh das nehme ich aber auch sehr gerne als Lob auf, weil die vorbeirauschende Landschaft auch als sehr geheimnisvoll empfunden wurde, also hast du (wie immer) die richtigen Worte gefunden! Dankeschön!! 🙂

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