Leicht sein

Für Netti.

Ich sitze im nichts als strahlend weißem Sonnenschein, auf dieser recht unbequemen, aber sympathischen Holzbank, vor einer Holzhütte, für die man einige Seiten lang eine ganz eigene, urige Atmosphäre formulieren könnte. Das Besondere des Moments entspringt dem Song, den ich höre, und den ich ihr so gerne zeigen würde, damit sie das Buch ihres Lebens beiseite legt und sich auf die Leichtigkeit des Seins konzentrieren kann, um sie wiederzuholen, um sie zu ergreifen, vielleicht braucht es nur einen vermeintlich unbedeutenden Anstoß wie dieses Lied, und sie fängt an sich mit all ihren Sinnen nur auf die Empfindung der Melodie zu konzentrieren, die leise beginnt, schwach, unaufdringlich, wie ein Wald, der seine eigenen Töne produziert, das Knacken, das Rascheln, die Wucht der hohen Bäume, die Stille in und auf den Dingen, und nähert man sich ihr an erfüllt die Melodie der Stille einen weiterhin zurückhaltenden, dezenten Ton, der dann intensiver wird, schneller, dynamischer, plötzlich ist dort der Wind, der um die Blätter rauscht, sie umgarnt wie eine Decke aus Frische, aus Neuem, Unverbrauchtem und sie loslöst, und man folgt einem dieser Blätter durch die gebirgsartigen Tannen und Fichten, zwischen altem Holz und neugeborenen Ästen, über Moore und Wiesen, von nichts als der Natur umschlossen, doch wie etwas über allem Stehenden, etwas Freiheitliches, ja, ein Freiheitsgefühl, schwebend, nickend, das bejahend, was das von purer Erde kreierte Leben hergibt und herzaubert, aus den Sträuchern und Blumen schneidernde Stimmungen, mit dieser verzierenden Wirkung, wie diese Baumkrone, die in allen losgelösten Gedanken und Vorstellungen von Höhe und Überragendem verankert ist, und man fühlt das Leichte und Verspielte überall, auf den Gräsern und in dem Licht, das so anmutig hinter den Bergen emporsteigt und trotz all der Anstrengung, über die Bergspitzen zu klettern, um das Leben aller im Tal und im Wald zu ermöglichen, einen Flügelschlag jener sich frei und wild bewegenden Vögel nachahmt, voll Freude für die Luft und den Raum des Himmels, der für sie da ist und den sie mit Leben füllt, geformt aus den Wolken ihrer Erinnerungen und Begegnungen, die Natur ist jetzt in ihrer Mitte und alle Menschen nur Federn, die an den Fäden ihrer Leichtigkeit hängen und diese Erkenntnis setzt etwas frei, der Boden unter den Sohlen, rein und weich wie ein Teppich aus Schneekristallen, trägt das Lebendigste seit langer Zeit auf ihm, denn sie  läuft, sie bäumt sich auf, sie legt sich nieder, sie lacht, sie ruft, sie atmet.

 

11 Kommentare

  1. Schön und leicht fliesst der Text dahin und entführt für den Zeitraum des Lesens.. danke… grumpy side von mir sagt dazu : kitschig… egaaal, ich bürste diese Seite liebevoll gegen den Strich.. sie muss es aushalten…denn manchmal ist es schön sowas zu lesen.. am Schreibtisch sitzend in der wärmenden Sonne dieses Wintertages.
    Gruss S.

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  2. Danke dir Susann(?)! 🙂 Schön, dass es dir trotz dem Anflug von Kitsch gefallen hat (mir gefällt kitschig auch nicht. Und melodramatisch. Gut, wenn ich drauf hingewiesen werde. Muss ich drauf achten, auf sowas).
    Liebe Grüße,
    Jim

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    1. Alles o.k. manchmal lässt sich scheinbar kitschig gar nicht vermeiden.. weil etwas sooo schön ist und dann gleichzeitig auch noch in dieses olle Kitschschublade passt..
      Wenn ich sage, am liebsten schaue ich dem Fliessen der Zeit zu, kann man das höchst merkwürdig, verschroben, verträumt, was auch immer finden. Und ich kenne Menschen die das Kitsch pur nennen und mir das nicht abnehmen wollen..
      Aber es ist so.. und das besänftigt sogar grumpy… immer schön den Wolken zuschauen.. oder einem Fluss..atmen von einer Sekunde zur nächsten..
      abendliche Grüsse S wie Susann

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      1. Dem fließen der Zeit zuschauen ist ein wunderbarer Ausdruck um einen Moment voll und ganz zu genießen, auszuleben. Vielleicht liest du mal Marcel Proust ich glaube das würde dir gefallen 🙂

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