Zwischenruf aus Kanada

Der potenzielle Schriftsteller Jim ist ja gerade in Kanada, macht sein Auslandssemester auf Vancouver Island. Ziemlich cool hier. Dachte ich melde mich mal wieder, nachdem ich einen Monat lang keinen Blogeintrag geschrieben habe. Dabei faselte ich doch irgendetwas von dem letzten Kapitel der USA-Reise in Sedona und Slab City, und von einer großen Ankündigung, jaja, die gibt es tatsächlich. Im Januar. Oder so. Vielleicht auch eher. Ok?

Die Ankündigung hat aber nichts mit diesem Blogeintrag zu tun. Auch der letzte Teil, wo ich über diese verdammt epische Reise in die USA berichte, der lässt auch noch auf sich warten. Erst einmal bin ich hier, und ich lebe, und beinahe wäre ich geneigt zu sagen, ich lebe vollends. Wäre da nicht die Distanz zur wichtigsten Person in Deutschland. Oh, wenn ich nur dran denke. An sie, das ist schön, aber an Deutschland? An Straßen, Häuser, Menschen und Industrieanlagen? Das ist das Deutschland, das ich kenne. Vielleicht wohne ich nur im falschen Ort, ein Landbursche inmitten einer Millionenmetropole. Vielleicht aber auch zeigt mir Kanada all das, was ich so schmerzlich seit meinem Ausbruch nach Norwegen damals vermisse.

Wälder zum Beispiel. So richtige Wälder, mit gigantisch großen Gigantenbäumen, die einen liegen vertikal inmitten kleinerer Baumkronen und sind morsch und von hellgrünen Fasern überzogen, die anderen sind scheinbar jahrhundertelang unberührt in den Himmel geklettert, oh, da ganz oben endet er, es müssen über einhundert Meter sein, ja bestimmt!

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Echte, richtige Wälder. (c) Jim Kopf

Seen. Nicht dieser zwölf Quadratmeter See im örtlichen Spazierpark, sondern unendlich azurblaue und milchgrüne Teppiche aus durchsichtigem Wasser, so klar und rein wie nur etwas Pures, Reines heranwachsen und sich ausdehnen kann, umgeben von Tannen, die kleine paradiesische Seen von anderen abgrenzen.

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Schoen Lake Provincial Park. (c) Jim Kopf

Berge! Wenn mich etwas tief berührt, dann sind es Berge. Ich sprach schon damals von Bergen, die oben ganz weiß, in der Mitte grau und am Fuße grün sind. Wenn ich morgens den ersten Fuß aus dem Studentenwohnheim setze, dann ragen sie am Horizont empor und offenbaren tiefe Sehnsucht. Aber eine mögliche, ja realistische Sehnsucht, sie sind hier überall, sie sind groß und schön und unberührt, ich kann sie fast umarmen, so nah sind sie. In Deutschland setze ich den Fuß aus der Haustür und der einzige Berg den ich sehe ist der Berg aus Verpflichtungen. Die Sehnsucht in der Heimat ist eine andere Sehnsucht, sie existiert, weil das, was ich hier sehe, nicht existiert.

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Mount Cain, Schoen Lake Provincial Park. (c) Jim Kopf

Das Meer. Ich bin auf einer Insel. Das Meer ist somit die Aura, die die Insel umgibt, ein Meer aus Wasser und erbarmenden Küsten, egal wo ich bin, die Aura des Meeres streichelt mich mit einer mal sanften, mal heftig hohen Welle, mal mit einer Brise seines umwerfenden Duftes. Das Meer ist mein Hafen, sein Anblick ist Glück in meinem Bauch, ist ein freier, unabhängiger, glücklicher Schmetterling in meinen Gedanken.

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Juan de Fuca Trail, Vancouver Island. (c) Jim Kopf

Sterne, viele Millionen Sterne. So viele Millionen Sterne, dass sich mir die Milchstraße erst vor ein paar Tagen vom Horizont hinter den Bergen bis hinter die Küstenwand offenbart hat. Dieser Anblick war Gänsehaut, und ein Teil dieser Gänsehaut war das Bewusstsein für die fehlenden Sterne in dem Leben, das ich von zuhaus’ aus führe. Da gibt es nur einen Stern der leuchtet, und der leuchtet für sie.

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Eine magische Nacht am Juan de Fuca Trail. (c) Jim Kopf

Klar, man könnte meinen, der irgendwie doch nicht mehr ganz so junge Jim will raus in die Natur, soll er doch, soll er doch in der Natur leben. Aber das ist es nicht nur. Sie ist nur der Raum, der mir das Gefühl gibt, echt Leben zu können. Echtes Leben braucht für mich drei Konstanten. Das ist zum einen die Entfaltung des Raumes der Natur, die Entfaltung der Liebe zu einem Menschen, und die Entfaltung eines tiefgehenden Traumes, das in meinem Falle ein Buch ist, ein Bestseller soll es werden, und dann kommt das nächste, tausendfach verkaufte Buch.

Klingt fast nach ’nem Nomadenleben. Aber die Nomaden, die leben woanders. Ich lebe mittendrin, und gleichzeitig weit weg in der Welt meiner Gedanken. Mittendrin zu leben bedeutet für mich aber zurzeit und bis zum Ende dieses Jahres, in Kanada zu sein, und das Sein-Gefühl muss ich auskosten, muss ich erleben, ich muss vollends leben. Das ist mein Zwischenruf aus Kanada.

Bis bald,

Jim

18 Kommentare

  1. das milchstraßenbild und alle anderen ❤ ich verstehe dich so gut, besser als mir lieb ist. und die bilder, oh ja, das ist unglaublich, eine sehnsucht nach etwas, das ich gar nicht kennen kann. alles ist soviel größer da. und weit weg aus dem richtigen leben fühlt sich alles immer irgendwie echter und wahrhaftiger an.

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    1. ich freue mich immer so wenn dir oder Markus oder Nina oder Oliver oder halt weitere so fotobegabte Kreative meine Bilder gefallen, das ist ein tolles Kompliment für mich 🙂
      & das hast du schön ausgedrückt, es führt meinen Gedanken weiter… und könnten wir doch nur immer aus dem „ich kann mich damit identifizieren, mehr als mir lieb ist“ ein „ich mach da jetzt was draus“ machen…

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  2. Tolle Bilder, beeindruckend klar formulierte Gedanken erzeugen bei mir wiederum den Gedanken: geh weiter! Du bist auf dem richtigen Weg, so wie du es beschreibst! Es wird! Bestimmt. Hör weiter auf dein Herz.
    All the Best! Andrea

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    1. Vielen lieben Dank, Andrea! Das ist wirklich lieb von dir und es ist schön zu wissen, dass du mit mir fühlst und mich dazu motivieren willst, diesen Weg weiter zu gehen… Danke!

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  3. Wow, toller Beitrag. Kann dieses Gefühl sich wo anders komplett zu verlieren sehr gut nachvollziehen. Und auch das mit der Liebe zuhause. Irgendwie eine innere Zerissenheit, oder? Wünsch dir noch eine wundervolle Zeit in Kanada! Liebste Grüße, Tiziana

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