Es gibt Momente im Leben, in denen man allein sein möchte. Sich sortieren. Nachdenken. Fühlen, was gefühlt werden muss. Der Schmerz. Die Traurigkeit. Die erdrückenden Gedanken. Gestern Abend war so ein Moment für mich. Über den Umstand, der das nötig gemacht hat, zu reden, ist nicht meine Stärke. Meine Stärke liegt in dem Moment, in dem ich alleine bin und das Alleinsein genieße. Weit entfernt von Vokalen und Silben und Motorgeräuschen und glücklichen und traurigen Menschen und dem Drang der Welt, mit dir kommunizieren zu wollen.
Ich stelle mein Smartphone auf Flugmodus, wissend, dass ich nur seine Kamera an diesem wunderschönen Abend benötigen werde, und keine WhatsApp-Nachrichten, keine Facebook-Markierungen und keine Instagram-Bilder. Ich liebe die Fotografie und die Fotografie ist mein Begleiter, wenn ich die Einsamkeit suche.
Nicht weit entfernt von meinem Zuhause gibt es einen Bahnhof. Um die Uhrzeit kurz vor Sonnenuntergang ist dieser wie leergefegt.
Der Bahnhof hat eine Besonderheit. Eine Unterführung, einen kleinen Tunnel, ein kaum beachteter Weg, der sich anfühlt wie ein beklemmender Strudel, aus dem man heraus möchte. Eindringlich leuchtende Lichter steigen dem harten Beton empor, beleuchten nur das Nötigste und geben dir das Gefühl, dass, wenn die Lichter hinter dir liegen, ein neues Licht auf dich wartet, von viel größerer Schönheit.
Das Licht, das auf dich wartet, ist die Natur. Einsam, an einem Fluss gelegen, umringt von riesigen, freistehenden Graslandschaften und in den Himmel ragenden Bäumen, von Enten und Schwänen, die ungestört ihr Familiendasein zelebrieren, gepflastert mit einem schmalen Weg, der nirgendwo hin als in die Natur führt, wo ruhige Flussufer auf deine Gesellschaft warten. Die einzigen Anzeichen einer sich direkt daneben befindenden Zivilisation sind die deplatziert wirkenden Strommasten, die das Landschaftsbild komplettieren.
So schön und geborgen die Natur sich anfühlt, so gegensätzlich sind meine Gefühle und Gedanken an diesem Tag, an dem die getrockneten Tränen auf meinen Wangen von einer traurigen Nachricht zeugen.
Ich genieße diesen Ort, den freiheitlichen Geruch der Natur, den immer weiter fortschreitenden Sonnenuntergang, ich genieße die Stille, die von leisen, weichen, samtigen Klängen aus den Kopfhörern meines Handys begleitet wird, für etwa drei Stunden, bis der letzte Sonnenstrahl sich hinter dem Horizont verbirgt und der Halbmond sich durch die Wolken kämpft, den Anblick in ein dunkelblaues Antlitz tauchend.
Atme ein, atme aus und gehe wieder nach Hause.
1 Kommentar