Wir machen jetzt einen Roadtrip durch Irland, sagte sie. Kommst du mit?
Ich war unter Zugzwang. In einem Monat werde ich für mein Auslandssemester nach Kanada fliegen. Vier Monate, in denen ich am anderen Ende der Welt großartige Abenteuer erleben werde, während sie zuhause für das Studium büffeln würde. Natürlich konnte ich da nicht nein sagen. Obwohl ich keine Urlaubstage mehr übrig hatte, erreichte ich auf der Arbeit (da war ich noch Dualer Student), dass ich zwei Wochen unbezahlt fort sein durfte. Ich schnappte mir den Koffer, warf meine neue North Face – Regenjacke rein, die ich als einzige Vorbereitung auf das wechselhafte Spätaugustklima in Irland gekauft hatte, und flog ins Grüne.
Die Route sollte von Dublin über Cork nach Glengarriff, über Kenmare nach Killarney über Limerick nach Galway, bis in den Norden nach Carna führen. Dies soll hier aber kein Tagebuchbericht werden. Vielmehr eine Hommage an eine Fahrt, die am Ende den schönsten Moment bereit hielt, fernab jeglicher Touristen und Touristenpfade.
Zunächst war da das leuchtende Tiefgrün einer wolkenverhangenen Landschaft. Überall grün, die Wiesen, die Bäume, die Sträucher und Pflanzen, alles sprießte, vereinnahmte und absorbierte das irländische Grün. Dazu ein blaugrauer Himmel, blaugraue Seen, blaugraues Meer. Ein raues Bild, das Irland zu Beginn von sich gab, ein wunderbar raues und wildes Bild.
Dazu der Wind, der eine Frische in sich trug, die von jeglichem Stadtwind weit entfernt war, so frisch und herrlich kalt duftend, dass das Wetter genossen werden konnte, es machte verdammt gute Laune, wenn der Wind gegen das Gesicht flog und einen zarten Druck auf die Regenjacke ausübte.
Zwischendurch war es still. Und wenn die Stille kommt, bricht sie wie das Licht auf ein Prisma. Neue Eindrücke schieben sich vor ins Bewusstsein. Blüten in allen Farben, fast glitzern im blaugrünen Landschaftsbild.
Für ein paar Tage kam die Sonne heraus. Sie überstrahlte alles und ließ das Raue für einen Moment außer Acht, vielmehr verlieh sie der Natur eine neue Perspektive: Da war der Strand, da war das Meer, da war Fröhlichkeit, Ausgelassenheit und das Spiel im Licht.
An den Cliffs of Moher peitschte der Wind gegen die steilen Abhänge und Menschenmengen. Das Gute daran war, dass das Wetter die Touristen voneinander trennte, der Regen und der Wind waren wie Nebelwände, die den Blick auf die Masse an Schaulustigen dämmte. Je weiter wir die Klippen entlangliefen, desto einsamer wurde es. Kaum jemand lief kilometerweit an der Küste entlang, warum auch, wird es dorthin etwa noch schöner?
Ja, das wurde es. Der Pfad wurde schmaler, und auch wenn hier wie fast überall auf unserer Reise der Weg klar vorgegeben war, fühlte sich dieser Naturabschnitt sehr groß und sehr wohlig an. Es tat einfach gut, dort zu sein.
Fortan würden wir den vorgegeben Pfad verlassen. Da war nicht mehr das Abgesteckte, Eingezäunte, das wir vom Ring of Kerry gewohnt waren, der deshalb nicht so gefiel, weil es lediglich den Charakter eines verfehlten Abenteuers hatte: Fahren, Anhalten, Foto machen, weiter gehts. Hier, weiter im Norden von Irland, durch das wunderschöne Galway hindurch, war das Abenteuer.
Auf dem Weg passierten wir ein malerisches Schloss, das sehr bedeutsam und sehr alt war, doch ich als ehemals misslungener Geschichte LK – Schüler verdrängte die Bedeutsamkeit schnell und nahm mich ausschließlich dem Gefühl an, das der Anblick hervorzauberte.
In Carna übernachteten wir zwei Nächte in einem großen grauen Haus, das trist, aber von innen eine Einladung zum Wohlfühlen war. Hier war Irland einfach nur Irland. Hier war der Urlaub ganz weit weg und der Wunsch, ein Leben in dieser Abgeschiedenheit und Ruhe zu verbringen sehr nah.
Ein paar Gehminuten entfernt lag eine Meermündung, wo uns ein Hund entgegenlief. Er sah verspielt aus, hatte den Blick eines verweisten, aber freien Tieres, das hier auf Spielkameraden wartete. Es folgten die friedlichsten Stunden in Irland.
Auf dem Rückweg erreichten wir höhere Lagen und kurvige Straßenabschnitte, die ich gerne noch einmal mit einem Ford Mustang Cabrio fahren würde. Auch wenn hier die Landschaft nicht durch eine reichhaltige Vegetation schäumte, waren es die Nuancen, die hier ein kleines Kunstwerk erschufen.
An manchen Stellen entkam Irland ein kleiner Zauber. Auch wenn sich vieles nach Tourismus, Urlaub und Attraktionen anfühlte, schimmerte hier und da etwas anderes durch. Eine Kombination aus der Frische der Luft, des Grüns der Wiesen, dem blaugrau des Meeres und kleiner Seen, und der begleitenden Wolkenformationen.
Ich bin jemand, der stets an das Weite denkt. An die nördlichsten oder südlichsten Punkte dieser Welt, an die abgelegensten Bergregionen und ausgefallensten Dschungel. Hier, war es nur Irland. So wie meine alljährlichen zwei Wochen in Österreich nur in Österreich stattfinden. Aber das aufblitzende Gefühl der Freiheit entstand auch hier. Zwar selten, aber es blitzte durch. Das war der Zauber Irlands.
Du inspirierst mich 😌
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Das freut mich sehr, das möchte ich erreichen 🙂 Danke!
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Ein ganz toller Beitrag über Irland und wunderbar beschrieben, hach ich liess mich mitreißen in die Erinnerungen…
LG Andrea
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Vielen lieben Dank, Andrea! Finde es schön zu wissen, dich mit diesem Beitrag über Irland mitreißen zu können 🙂
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Dank Deinen Bildern fühle ich mich seit langem mal wieder so richtig in dieses wundervolle Land hinein… Wow! DAS ist Irland, genau das! In jedem Bild kann ich dieses Land erleben, wieder einmal und ganz neu. Ich finde das grandios. Das triste, das dunkle…. Authentisch und keine Spur von Touri-Geknipse!! Groß mein lieber Jim, ganz groß!!!
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Mega Worte von dir, Markus! Danke man! Bedeutet mir viel, dass du die Bilder so gut findest und ich dir Irland wieder ein wenig näher bringen konnte 🙂
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Wird Zeit für den nächsten Irland Trip 😏
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Ach verdammt… Jetzt muss ich da auch noch hin 😉 Wie immer ein sehr schöner Beitrag.
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Musst du! Am besten die Touristrecken direkt überspringen und in den Nordosten von Irland, hehe. Und vielen lieben Dank 🙂
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Die Planung überlasse ich meiner Frau 😀 ich richte es ihr aus 😉
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Was fuer ein geiler Roadtrip!. Was irre Bilder und geniale Stimmungen. Das inspiriert total und man moechte sofort dabeisein. Coole Sache echt!
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Mich hat Irland nie interessiert obwohl der Kuhnograph nach 2 oder sogar 3 Irland Urlaube immer davon geschwärmt hat. Jetzt sehe ich wieder jemand der schwärmt !! Die Fotos sind wirklich großartig und zeigen das wilde Irland. Vielleicht muss ich meine Vorstellung und Meinung mal überdenken. Ich bin eben der Mensch des Südens was den Urlaub betrifft.
ps: Andrea ist auch ein Irland Fan und bei ihr habe ich auch schon die tollsten Beiträge gesehen.
Ich werde es mir mal durch den Kopf gehen lassen !!!
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Ja, der Markus ht mich auch beauftragt um dich endlich mit Irland zu überzeugen.. 😀
Vielen Dank, freut mich echt dass der Beitrag bei der Anklang gefunden hat!
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oh dann spreche ich Ihn heute Abend darauf an !!! Spass aber ich sehe ihn heute trotzdem
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Ich glaube, es ist Euch auch ganz gut gelungen, jenseits touristischer Trampelpfade durchs Land zu kommen. Jedenfalls wirkt es so. 🙂
Hast Du mal Bölls Irisches Tagebuch gelesen? Das ist zwar schon vor erschreckend langer Zeit erschienen, aber er fängt da auch schöne Szenen aus dem damaligen Irland ein.
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Zumindest einen Teil der Reise.. 🙂 Danke für den Tipp, das klingt gut! Hatte nur von Joyce gelesen..
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So schön!
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Danke :))
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Ein schöner Text und ganz tolle Bilder, die nicht postkartenmäßig wirken, sondern ein Gefühl transportieren. Ich wünschte, ich hätte damals solche Aufnahmen von meinem Traum-Reiseziel gemacht. Denn das war Irland und es war ganz wunderbar.
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Vielen lieben Dank, darauf hatte ich gehofft 🙂 Vielleicht wirst du ja dorthin zurückkehren und verstärkt darauf achten, deine Gefühle abzulichten, anstatt Reisefotos 🙂
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Vielleicht. Nordirland ist für mich noch unendecktes Land. Damals war ich blutiger Anfänger und noch sehr mit der Technik beschäftigt ;-). Ich habe das Jahre später in den Südstaaten umgesetzt. Mit einem festgelegten Filter der Hipsta-app. Falls du mal gucken willst: https://www.lichtbildwerkerin.de/the-journey-before
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