Top 195 schönsten Reiseziele der Welt 2023/2024

Ja das gibts ja gar nicht, suchst du etwa gerade auch nach den schönsten Reisezielen der Welt für den Rest des Jahres 2023, oder Last Minute für den Sommer oder Frühbucher für den Winter, und dann suchst du nach den schönsten Reisezielen der Welt 2024, und fragst dich noch während du im Urlaub bist, wohin wird meine nächste Reise wohl gehen, denn du bist aktiv, bleibst nicht stehen, du und deine Freunde sehnen sich nach etwas Besserem als das, was vor eurer Haustür passiert, und das ist nicht schön, nicht schön genug, lieber im Zug durch die Schweiz heizen und nicht mit Geld geizen, nicht so wie zu Hause, dem Ort, den keiner von uns auf seiner Liste der schönsten Reiseziele der Welt hat, weil es dafür keinen Grund gibt, denn was soll man schon zuhause entdecken, nein, dafür ist die Welt da.

Doch wohin solltest du reisen? Wohin solltest du im Sommer reisen, wohin sollst du im Winter reisen, und wohin soll ich als junger Mensch reisen, oder als Paar, oder in meiner Rente, oder auf kleinem Budget, oder mit Papa’s Geld oder mit Mama’s Geld, soll ich saufen mit den Jungs oder Strandurlaub mit den Mädels, und soll es dieses Jahr ein Roadtrip sein oder dieses Mal nur einen einzigen wunderschönen Ort kennenlernen, soll es ins All Inclusive Hotel oder Airbnb, wohin soll es verdammt noch einmal gehen, irgendwohin muss es gehen, das Darlehen mal vergessen und das Kartoffelessen mal gegen Sushi in Japan oder gegen eine original italienische Pizza mit original italienischem Tiramisu und einen original italienischen caffee doppio austauschen, ein doppelter Espresso gegen den Anflug von Panik, weil es in acht Tagen schon wieder nach Hause geht und wir nicht einmal Zeit hatten, die Botanik an diesem Ort zu studieren, auch wenn uns Pflanzen eigentlich egal sind, aber nicht im Urlaub, wenn jemand eine Pflanze fotografiert, müssen wir das auch tun, und zwar nicht nur mit unserer Smartphone-Kamera, sondern auch mit der DSLR und mit der Drohne, denn ohne dem Sammelsurium digitaler Abziehbildchen im Koffer wäre es doch so, als wären wir nie dort gewesen, und diese Schmach wollen wir uns nicht geben, lieber heben wir uns über all die anderen, die erst in zwei Wochen in den Urlaub fliegen und FOMO kriegen, wenn sie unsere dreihundert Schnappschüsse sehen, uns im Bikini, uns im türkisen Meer, uns in Wanderhose auf dem Berg und im Bergsee und wie wir neben den Bergziegen liegen, mit fettem, überlegenden Grinsen und Kaiserschmarrn zwischen den Zähnen, denn this is the life, meine Freunde. This is great.

This is great ist auch der beliebteste Comment auf Instagram, ich sags euch, wie viele Menschen mir schon zu meinen Bildern gratuliert haben, alle finden sie meine Bilder great und awesome und damals wurden meine Bilder noch auf der Explore Page gefeatured und auf Beautiful Destinations und diese reichweitenstarken Vorreiter einer Bewegung, die uns nach und nach eine Vision vom Reisen auferlegt hat, die mit dem Reisen im ursprünglichen Sinne nichts mehr zu tun hat.

Ich hab ein Buch darüber geschrieben, Der Entdecker heißt es, Sam’s letzte Chance, und Sam ist einer derjenigen, die diese Bewegung mitgegründet haben, und bevor ich es vergesse zu sagen, bitte kauft das Buch, es ist brandneu und visionär und tragisch und humorvoll und ich wäre nicht wie Sam, wenn ich nicht auf einen Link in diesem Beitrag verweisen würde, und einen Coupon-Code gibts auch, aber wenn du diesen Beitrag liest ist dieser auch schon abgelaufen, aber immerhin gab es ihn.

Entdecken, was heißt das noch, wenn es nichts mehr zu entdecken gibt? Wenn literally die Erde zu Ende entdeckt wurde? Reiseziele überlaufen und Naturwunder zertreten wurden? Und alles, was wir sehen werden, auf unseren Reisen, haben wir online bereits gesehen, auf Instagram und all den anderen social media plattformen, die uns diesen Wunsch eingetrichtert haben, ebenso dorthin zu reisen, dahin muss ich, ich muss dahin, ich flehe mein Spiegelbild oder meine Eltern oder meine Freunde oder meinen Arbeitgeber an, gebt mir Urlaub und gebt mir Geld, und dann bin ich auch da, wo schon jemand war, und wo mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch eintausend andere Menschen zur gleichen Zeit sind, denn sie haben dasselbe gesehen, dasselbe gefühlt beim Anblick dieses bearbeiteten Fotos, auf dem der sich inszenierende Influencer knapp über den Wollken, beim dramatischsten Sonnenuntergang des letzten Jahrzehnts, auf der Bergkuppe, im halb-offenen Hawaiihemd, von Drohnen und Kameraleuten umgeben, ins Bild räkelt, mit der Botschaft, hier hin musst du, und ich verrate dir nicht wo ich bin, aber sechstausend Kommentare wollen nur das wissen, wo ist das, sag es uns, bitte sag es uns, und einer findet es heraus, und plötzlich ist der dritte Freitag im Monat, wo sich das Schauspiel in der Natur wiederholt, von Menschenmassen überlaufen, alle wollen dieses eine Foto wie der Typ da in den sozialen Netzen, die schon lange nicht mehr sozial sind, nein, das wird auch Sam in meinem Buch herausfinden, weil Sam ein alternder, bedeutungsloser Influencer im Jahr 2032 ist, der keine Aufmerksamkeit mehr erhält, weil alles, was er postet, auch von Millionen anderer gepostet wird, und selbst die, die es nicht posten können, weil ihnen die 18 Euro für den Langstreckenflug im Hybridflieger zu teuer sind, nutzen künstliche Intelligenz und lassen sich in die Landschaft hineinplatzieren und keiner weiß mehr, ist diese Person wirklich da oder nicht, aber vermutlich wäre das sogar die Rettung unserer Naturwunder, wenn alle nur noch so tun würden, als wären sie dort, vielleicht in ihrer Augmented oder Mixed Reality Brille, das könnte helfen, damit wir nicht wie Sam enden in weniger als zehn Jahren, der sein dopaminloses Dasein am Rand vom überlaufenen Berlin führt, zu Hause, in dem Land, aus dem er immer weg wollte, denn das war sein Job, sein Job war, woanders zu sein, und die, die zu Hause sind, zu beeinflussen, ebenso weg zu wollen.

Zu Hause, das ist der Ort, den wir auf Platz 195 unserer schönsten Reiseziele setzen würden, oder sagen wir auf Platz 125, weil in 70 Ländern Homosexualität immer noch als Straftat gilt, oder sagen wir auf Platz 98, weil wir das Glück haben nicht in einem der 27 Länder zu leben, wo aktuell Krieg herrscht, aber wir können zumindest ein Auge zudrücken bei den 20 Ländern mit den meisten Straftaten, das ist ein kalkulierbares Risiko, einfach die teure Uhr zuhause lassen, nicht nach Einbruch der Dunkelheit raus, und schön in den Touristenhotspots bleiben, da werden wir zumindest nicht umgebracht, und da gibts schöne Wanderwege, schön eingezäunt, schön mit Starbucks und Elefantenreiten und Touristenguides und Audiotouren, damit wir kein Detail übersehen und über das wir in unserem WhatsApp Status und auf Instagram und Snapchat und als Clip auf TikTok posten können, und auf Facebook, aber wer hat denn heutzutage noch Facebook, abgesehen von einer Milliarde Boomer, die jetzt genau so süchtig sind nach den sozialen Netzen wie wir vor 10 Jahren, aber gut, wir sind auch nur noch süchtiger geworden, ob vier oder acht Stunden Social Media Nutzung pro Tag macht auch keinen Unterschied, und wir bekommen Kerben in den Fingern vom Handy in der Hand halten und eine schiefe Wirbelsäule vom Hinuntergucken, beides nicht ideal, wenn wir alt werden wollen, und wir wollen alt werden, denn da sind 195 Länder auf der Erde, die auch von uns abgelichtet und inszeniert werden wollen, und ich hoffe so sehr, dass diese blöden Kriege aufhören und jemand mal wieder eine Reihe neuer Luxushotels in Afghanistan oder an der Küste Venezuelas hinbaut, denn das wäre was, meine Kontakte schicken ihre Hotdog oder hot legs Bilder aus Mallorca, aber ich bin in Afghanistan und lasse mir lokale Sambossas servieren, die ich vielleicht falsch ausgesprochen habe, aber man waren diese Teigtaschen lecker, seid ihr echt wieder auf Malle, wie langweilig und mainstream und das, was heute mainstream ist, hat Sam in meinem Roman und haben etliche Influencer da draußen bestimmt, uns eingetrichtert, eingeflößt, durch reichweitenstarken, unglaublich dramatisch inszenierten Content aus der Hochplateau-Wüste in Chile mit Wüstenfuchs im Hintergrund und von den Nordlichtern im Kanu zwischen Gletschern in Grönland und beim Händeschütteln mit mächtigen Gorillas im tiefsten Dschungel Ugandas, einer der letzten Gorillas, die wir noch haben, sagt der Influencer in die Kamera und steht dabei knöcheltief im Haufen der seltensten Ameise weltweit, der Tyrannomyrmex rex, die eigentlich nur in Asien vorkommt, aber da vor dem Travel Influencer eine mit TikTok-Videos reichgewordene Weltreise-Gruppe von Rucksacktouristen bereits dort war, haben sie die Ameise eingeschleppt, by accident, and I am sorry, dass mein ökologischer Fußabdruck dreißig Tonnen beträgt, aber die Reiseziele bereisen sich nicht von alleine, und meine Follower verlangen es, dass ich hier bin, sie verlangen das von mir, sie verlangen nach mir.

Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Influencer, auch der Entdecker in meinem Roman hat nichts gegen Influencer, es geht nur darum, zu überspitzen, um einen Gedanken anzuregen, nur einen, und der kann natürlich dein ganz eigener Gedanke sein, aber wenn ein Gedanke angeregt wird, dann kann daraus etwas entstehen, eine Neuausrichtung, wie wir das Reisen betrachten, wie wir reisen, was uns beeinflusst in unseren Entscheidungen, und in unserem Benehmen vor Ort, unserem Reiseverhalten und diesem unmenschlichen Drang, uns auf Social Media zu porträtieren, denn ohne dem sind wir nichts, wir existieren nicht im gesellschaftlichen Gefüge, wenn wir nicht auch von unseren Reisen berichten, aber das, was wir machen, ist kein Berichten, ist kein Schnappschuss, es ist ein minutiöser, narzisstischer Akt des Selbstaufwertens und Neidischmachens und Mitreiten auf den überschäumenden Dopaminwellen digitaler Verewigungen, die zu virtuellen Müllhaufen einst einzigartiger Geheimtipps anwachsen, mit jedem Posting ein Schritt näher an der Beendigung des Entdeckens, des Reisens, wie es mal war, damals, als Großeltern ihren Floridaurlaub noch im Fotostudio haben entwickeln lassen müssen und die Enkelkinder wie gebannt in diesem übergroßen, physikalischen, anfassbaren Teil herumblättern, aufpassend, dass diese dünne, schützende Folie zwischen den Bildern nicht zusammenpappt, und klar, das können wir immer noch machen, und das machen einige von uns, aber on top, on top of dreißig Instastories.

Travelinfluencer sind auch nur Menschen, die ihren Sehnsüchten folgen, und ihren Traum leben, denn sie machen das, was sie erfüllt, sie reisen und lichten das Reisen ab, und damit sind sie Idole, man schaut zu ihnen auf, zu jemanden, der wie du war, wie du und ich, aber dann irgendwie nicht mehr, denn je mehr Follower jemand bekommt, der mal wie du und ich war, desto weniger bleibt diese Person so wie du und ich, denn diese Person ist jetzt berühmt für seinen Lifestyle und seine Fotos und diesen Reisezielen, die wir 2013 mit offenen Mündern und staunenden Augen auf einzelnen Instaprofilen betrachtet haben, und auf deren Fotos wir nun Zombie-like unsere Likes und Comments draufhämmern, in der Hoffnung, dieses Idol, diese perfekt geformte und gebräunte und selbstbewusste und abenteuerliches Individuum würde auch einmal auf unserem Profil vorbeischauen, nur für ein Bild, nur für ein Like, bitte, verdammt, ich habe dir einhundertmal gesagt, this is great, was du da postest, gib mir doch drei Sekunden deiner Zeit, und lass ein Like da, und vielleicht passiert das sogar, und wir wissen, yes, ich darf existieren.

Drei Sekunden, das ist schon lange nicht mehr unsere Aufmerksamkeitsspanne, wir sind weniger aufmerksam als Goldfische, im einskommasiebensekunden Turnus zwischen Bildern und Videos und bald 3D-Hologrammen und in mehreren Spalten per Augenbewegung vergrößerten Inhalten hin und her switchend, noch mehr Content, noch mehr Input, noch mehr Overload für unser animalisch-überfordertes Reptiliengehirn, und damit einhergend noch mehr Menschen die noch mehr Reiseziele noch mehr fotografieren und mit waghalsigen Selfies mit ihren Leben spielen, aber es muss was Besonderes her, nur dreißig Likes? ich lösch den Post, was für eine Schmach, ich hätte meiner Intuition folgen sollen und mich vom Felsen hängen lassen sollen, und auch das Spielt in eine Rolle in Der Entdecker – Sam’s letzte Chance, denn das ist passiert, Menschen setzen ihr Leben aufs Spiel, um dem immer wachsenden Anspruch, was Likes und Aufmerksamkeit erhält, gerecht zu werden. Und das reißt Sam in ein Loch, er war einer dieser Menschen, die das herausgefordert haben, und dafür büßt er, genau wie die Menschheit dafür büßt, Reiseziele immer mehr zu Brennpunkten verkommen zu lassen, an denen sich noch eine Sourvenirbude und noch eine und noch eine anhäufen und Restaurants und für alte Menschen Sicherheitsvorkehrungen und für junge Menschen wird der Adventure Trail in den Wald gezimmert, all das ist das Sich-Entfernen vom Reisen, vom Entdecken, vom wahrhaftigen Erleben, einen Anblick zum allerersten Mal aufzunehmen, ein völlig neuer Anblick, den wir nicht schon in tausendfachen Feeds vor die Augen gespült bekommen haben, ein Ort, den wir sehen, hören, riechen, schmecken und anfassen können und dabei alles vergessen und einfach nur da sind, einfach nur genießen, einfach nur sein, das ist die Natur, dafür bin ich dankbar, diese Wolke da, unglaublich schön, dieses Vögelchen da, unglaublich schön, dieses Tal da, unglaublich schön, und mir gehen die Worte aus, und das, was ich sehe und fühle und rieche und anfasse, das kann mit Worten und Bildern und Videos und Hologrammen nicht kreiert werden, vorausgesetzt, wir haben einen Augenblick des puren Entdeckens erlangt.

Nur wird das immer unwahrscheinlicher, und das Reisen verkommt zu einer Attrappe, jenem verlogenen Versprechen, eine Erfahrung zu machen, die uns auf Instagram vorgegaukelt wurde, denn dieser Influencer da hat etwas inszeniert, dass unserer Realität nicht entsprechen wird, und deshalb sind wir enttäuscht, und was machen wir mit dieser Enttäuschung, wir nutzen sie, um unsere Erfahrung ebenso digital zu verschönern, wir lichten uns in einer kleinen Ecke ab, in der mal für eine Sekunde kein anderer Tourist durchs Bild huscht, oder wir sprechen nicht von der Warteschlange, und wir bearbeiteten den grauen Herbsttag so, dass auch der graue Vorort in Paris wie aus dem Bilderbuch eines Indian Summer im kanadischen Ontario erscheint. Ein Teufelskreis.

Die schönsten 195 Reiseziele der Welt. Natürlich ein Trick, Suchmaschinenoptimiert, damit du auf diesem Video landest und dir diesen Rant anhörst, der eigentlich gar nicht so verbittert und griesgrämig daherkommen soll, er soll nicht belehren, soll dich nicht schlecht fühlen lassen, soll dich nicht beschränken, nein, darum geht es nicht: es geht nur darum, mal über das Thema nachzudenken. Und wie gesagt, das ist kein Fingerzeug auf die bösen Influencer; das ist nur ein Aha, Menschen mit Reichweite nutzen die Algorithmen der modernen sozialen Netzwerke um unsere Träume zu kreieren, wohin die nächste Reise gehen soll, und Reichweite führt dazu, dass mehr Menschen und noch mehr Menschen zu diesen Reisezielen wandern, in Massen, das war die Bewegung der letzten zehn, fünfzehn Jahre, und ich sage nicht, dass das falsch ist, oder dass es verhindert werden könnte, ich sage nur, dass da etwas verloren oder kaputt geht. Ich bin wie du Teil davon, und ich lese Greta Thunbergs Climate Book aber buche im nächsten Augenblick meinen nächsten Flug nach Kalifornien, weil ich es da liebe und das Abenteuer liebe, am frühen Morgen im Joshua Tree in der Wüste zu wandern und mich vor anmutenden Berglöwen zu verneigen, am Mittag im Schnee über Palm Springs zu wandern, am Nachmittag am Huntington Beach den Surfern zuzuschauen und am Abend auf dem Hollywood-Boulevard meine Hände in die Abdrücke von Chevy Chase zu legen. Ich bin ein Teil davon, aber ich denke nach, wohin das führt, und unser Protagonist Sam, der weiß es, er lebt im Jahr 2032 und seine letzte Chance offenbart sich, als ein neuer Planet entdeckt wird, er soll da hoch und den Planeten inszenieren, doch wird er das tun? Wird er wieder einmal einer der ersten sein, die den Grundstein dafür legen, dass ein Reiseziel kommerzialisiert und überlaufen und kaputtgetreten und unnatürlich umgestaltet wird, damit noch mehr Menschen noch öfter Zugang dazu finden, mit frischen Flughäfen und riesigen Parkplätzen wie an den Cliffs of Moher? Wart ihr da mal? Diese Parkplätze sind riesig, verdammt riesig.

Der Entdecker ist ein Roman. Doch wir sind hier, auf unserer Erde, und suchen nach den besten, schönsten, außergewöhnlichsten Reisezielen, und natürlich wollen wir reisen und sollen reisen, und natürlich brauchen wir das Reisen als Ausgleich zu unseren städtischen Jobs, 40 Stunden in der Woche vor dem Laptop, eine Instagram-Benachrichtigung, unser Lieblingsinfluencer hat gepostet, wow, ich wusste nicht, dass es Hot Springs in der Schweiz oder Bären am Rand von Oslo oder Bioluminiszenz in Thailand gibt, wie viel kosten die Flüge, okay, das geht klar, und während wir 15% mit dem Couponcode unseres Influencers auf dem Flugportal sparen wird ein weiteres Touristenboot ausgebaut, um nicht fünfzehn, sondern fünfhundert Touristen gleichzeitig ins offene Meer zum Whale Watching zu schicken, und die Museumsschlange in Florenz hat branddneue Schilder angebracht, aspetta altre tre ore da qui, ab hier noch 3 Stunden warten, in der prallen Sonne und dieser stickigen Luft in den zugeparkten Gassen, kämpfen wir uns durch zu dem Wahrzeichen, dass die Preise einmal mehr unerhört erhöht hat, Frechheit, ein Stern auf Google Maps und fünf Sterne via WhatsApp in unsere Freundesgruppe, was für ein Erlebnis, Leute ihr müsst ihr auch mal her, okay sagen sie, kommt auf die Bucketlist, die schon ewig lang ist und eigentlich für Sterbende gedacht war, was sind die Dinge, die noch gemacht werden sollen, erlebt werden sollen, bis das unverhinderliche Ende kommt, aber unsere Buckets sind voll mit Reisezielen, gebookmarkten Reels und TikToks, top 10 und top 5 da, Restaurants, secret spots und view points, alles für den Kick, wehe es kommt eine Pause, wehe ein Urlaubstag, an dem nicht ein Highlight das andere jagt, im Touribus durch die Straßen jagen, im Flugzeug über Ländergrenzen, im Taxi zum fünf Kilometer entfernten See, alles rast in Schemen vorüber, nichts nehmen wir mehr wahr, nichts echtes, nichts wirkliches, nichts wirklich lokales, weil wir hastig und panikartig dem hinterherrennen, was das Versprechen war, auf Instagram, da, wo unsere Reise begann und enden wird, mit einem This is great.

Auf Platz 82 unserer Liste der 195 schönsten Reiseziele ist Venezuela, Heimat des höchsten Wasserfalls der Welt, die Angel Falls sind fast eintausend Meter hoch, und die beste Reisezeit ist von Mai bis Oktober, und je früher du deine Reise dahin buchst desto günstiger ist die Dreitages-Bootstour dahin, mit 675 Dollar knapp über dem Monatseinkommen einer alleinerziehenden Venezolanerin, die mit 10 dollar pro Monat auskommen muss, während ihre Kinder ihr auf dem Dorfmarkt in Las Palmitas unter die Arme greifen, um den selbst angebauten Kaffee oder die Brombeeren zu verkaufen. Abgesehen von den bürgerkriegsartigen Zuständen, von denen wir nichts in unserem Speedboat zum Wasserfall mitbekommen, weil wir so sehr mit der Belichtungszeit unserer 4k-Spiegelreflex und mit dem navigieren der Drohne beschäftigt sind, die über dem Boot herfliegt und langsam vom Boot zum Horizont hinschwenkt, eine cineastische Voreinstellung, die die Aufnahme per Knopfdruck in ein vertikales Social Media Video umbaut und zeitgleich auf TikTok, Facebook, Instagram und YouTube Shorts hochlädt, absolut beeindruckend, und mit der neuen verbauten künstlichen Intelligenz werden auch die Videofarben automatisch an die Sehgewohnheiten der gängigen Social Media Feeds angepasst, der Himmel ein Stück weit türkiser, der Schatten aufgehellt, und fertig, orange and teal, das war noch eine Zeit, in der wir diesen Look gefeiert haben, nicht wahr?

Aber ich drifte ab, es soll darum gehen, wie wir reisen, wir wir unsere Erfahrung gestalten, damit wir eben nicht wie Sam enden, der auf seinem Sofa am Rand von Berlin in seinem ODEF herumscrollt, das One Device for Everything, die neueste Innovation von Apple, herausgegeben unter dem Namen i1, und dann i2, ein ausfaltbares Mixed Reality Laptop Smartphone, alles in einem halt, und er scrollt durch Millionen von Inhalten, die sich vergrößern, wenn er mit seinen Augen länger als eine Viertelsekunde darauf verweilt, auf Fotos und Videos und Hologrammen und 3D-Aufnahmen, über die selbst die KI den Überblick verloren hat, und offenbar gingen seine letzten Reisen zum Roosevelt National Park in North Dakota, gesponsert von einem Uhrenhersteller, der seine neuen Büffelleder-Armbänder in Szene gesetzt haben wollte; auf die Galapagos Inseln, gesponsert von einer Nachhaltigkeits-Organisation mit dem Ziel, auf die Erhaltung des maritimen Ökosystems aufmerksam zu machen – Sam war vertraglich dazu verpflichtet, in jedem Post zu erwähnen, dass jährlich einhundert Millionen Haie getötet werden –; nach Carna, einem völlig irrelevanten Dorf im Nordwesten Irlands, gesponsert von einem irischen Butterhersteller und in die Pyrenäen von Andorra, gesponsert von einer dort ansässigen Duty Free – Kette, was zur Folge hatte, dass er, der Influencer, hauptsächlich Zeitlupen-Aufnahmen von Massen an Shoppingsüchtigen machen und dies als Essenz des Glückes inszenieren musste, anstatt die Bergwelten zu erkunden, anstatt die Bergwelten zu erkunden, verdammt, anstatt die Bergwelten zu erkunden nehmen wir die Bergwelten durch die Smartphone oder ODEF Linse wahr, oder zumindest beeinträchtigt uns dieser latente Drang, die Schlucht und den Schnee und den Gipfel und das Gipfelkreuz zu fotografieren und zu filmen und zeitgleich an alle zu schicken, die ganze Welt soll es sehen, wie ich hier stehe, wie ich hier wandere, welche Marke meine Wanderschuhe haben und welche Marke meine Daunenjacke hat, denn das gibt extra Exposure, stell dir nur vor, die verlinkte Marke repostet das Visual auf ihrem Kanal, das wäre überkrass und ein Zeichen, dass ich hier alles richtig mache, ja, es war genau richtig, diese Route auszuwählen, und nicht die andere, die nur ein Schild am Berganfang hatte, nein, diese musste es sein, weil siebzehn Travel Influencer in meinen Reels davon unabhängig voneinander geschwärmt haben, the most scenic hiking route, unterlegt mit dramatischen feelgood Songs und schnellen Cuts und gut aussehenden Menschen, verdammt, warum seht ihr alle so gut aus, ich will auch so gut aussehen, dieselbe Hose tragen und das selbe luftig lockere Wollshirt und diese Kappe mit diesem Aufdruck und diesem gekräuselten Strähnen, die darunter im Wind wie mit einer Tanzpartnerin schwingen, und es ist all das zusammen, die Ansammlung dieser inszenierten Nuancen, die eine unerträgliche Sehnsucht hervorbringen, es musste diese Route sein, es gab keine Alternative, und am Gipfel warten sie alle, alle, die die Reels gesehen haben, all jene, für die es keine Alternative gab, es wurde ihnen eingebrannt, der Sound, die Visuals, der Mensch, der da unfassbar glücklich ein unvergleichliches Abenteuer erlebt, das auch du erleben kannst, ja du, du da in deinem Bett zu später Stunde, mit ungedimmter Smartphone-Bildschirmhelligkeit immer noch am scrollen, in einem Reel heißt es, dass Smartphone-Nutzung vor dem Schlafen dem Schlaf schadet, und du fühlst dich inspiriert und denkst dir, ja krass, das stimmt, ich muss damit aufhören, doch in der nächsten Sekunde ist da eine Iglutür, die sich öffnet, und zwei Travel Influencer spazieren in die Nordlichter des finnischen Lapplands durch meterhohen Schnee in ihren gefütterten Rentierschuhen, eine Kooperation für Luxus-Boots, die man genau einmal in seinem Leben anzieht, nämlich dann, wenn auch wir diese Menschen sind, die aus dem überteuerten Iglu spazieren, für das wir unser eigentlich für zwei Wochen geplantes Reisebudget ausgegeben haben, doch wann bekommt man schonmal die Chance, die Nordlichter zu sehen, und noch viel wichtiger, diese Tür aus dem Iglu zu öffnen, absolut einzigartig, absolut weltumspannend alles-verändernd, wie wir, WIR, hier raus in die Nacht gehen, mit diesem fetten, unvergleichlichen Lächeln auf Cloud-Servern gebrannt, so einzigartig wie die dreitausend Menschen, die sich zu viel Zeit gelassen haben mit dem Buchen, bis die Iglunester ausgebucht waren, das darf nicht noch einmal passieren, nächste Mal buchen wir viel früher, aber das ist nicht nötig, einfach weiter Reels schauen und in fünfzig Jahren besteht das finnische Lappland zu achtzig Prozent aus originalgetreuen Iglus mit Panoramafenster in die weite Wildnis hinaus, abgesehen von den im Schnee parkenden Elektroautos und den Expeditionstouren und den Junggesellenabschieden, die sich von den Partymetropolen in die Wildnis verlagern, wo Angebote geschaffen werden müssen, weil da ein reichweitenstarker Junggeselle seine Party in der sorgsam eingezäunten Wildnis mit vierunddreißig Kammeramännnern und -frauen inszeniert hat wie ein Hollywoodregisseur, und von überall wurden die veganen Ersatzprodukte eingeflogen und ein paar Elche mussten auch dran glauben, Elchsalami gibts halt nur hier, und es ist okay, lokales Essen zu probieren, alles für die Experience, alles dafür, dass das Posting von der Elchsalami für Kontroverse sorgt, aber eben auch Aufmerksamkeit, und davon zehren wir, davon nehmen wir, ein Bissen nach dem anderen erlangen wir unser Blut zum Leben, Aufmerksamkeit als Partydroge, nur, dass unser Alltag die klägliche Party ist, in der wir dem nächsten Dopaminkick hinterherjagen, aber dafür gibts ja Dopaminresets, Dopaminretreats, Dopamin-Detox Videos, die uns, once again, unfassbar inspirieren, und wir legen das Handy weg und uns wird schlecht, scheiße ist das langweilig hier, auf diesem Gipfel mit dieser Aussicht, und am Abend schreiben wir darüber in unserer Story, heute mal das Handy zuhausegelassen, es war unfassbar gut, kann es nur empfehlen, ihr unterlegenen Hänger auf euren durchgesessenen Sofas.

Alright. Again, ich rante nicht gegen Influencer, verdammt, ich wollte selbst einer werden, und natürlich will ich das, genau wie jedes zweite Kind, TikTok Star, Pro-Gamer, Travel Influencer, so und nicht anders, nicht Schule, nicht Elektriker und nicht Bauingenieur, ich will reisen und eine DSLR in meiner Vorschultüte haben, zu Weihnachten kein Lego sondern eine Reise nach Bali, und wehe, das gibts nicht, dann gibts ein kreischendes Vorschulkind, weil die anderen Kids nach Neuseeland fliegen und ihre minderjährigen Feeds jetzt schon mit übergroßen Eiscreme-Bildern voll sind, während sie einen lokalen Haka-Tanz sehen, aber nicht wirklich, weil sie auf ihr filmendes Handy schauen, das größer als ihr Gesicht ist, es ist einfach doppelt so groß, nicht auszumalen, wie die Kids von morgen mit ihren Mixed Reality Headsets aussehen und nicht mehr im Sandkasten, sondern in der virtuellen Nachbildung von Hogwarts spielen, gut, das klingt nach einem soliden Videospiel, aber mit diesen Mixed Reality Headsets ist das ganze nochmal krasser, und weil es Kids gibt, die mit sieben schon YouTube oder TikTok Stars sind, und weil es Eltern gibt, die ihren siebenjährigen Kindern digitale Endgeräte hinwerfen, damit diese sich gut und sinnvoll beschäftigen können, denn es gibt ja genügend educational Content da draußen, aber der eigentliche Faktor ist peer pressure, weil die ganze Klasse Smartwatches und Smartphones und alles nur nicht smarte Ideen mehr hat, weil die Dauerbeschallung digitaler Realitäten die einzig relevante Komponente wahrer Kreativität zunichtemacht, und das ist Ruhe.

Ein Blick aus dem Fenster. Eine Parkbank. Eine Kerze anstarren, und sei es nur für fünfzehn Sekunden – das kann alles sein, das kann etwas Großes erschaffen, denn kreative Ideen entstehen in Ruhepausen, und Ruhe, das ist es, was wir alle mal ein bisschen brauchen.

Aber um den Satz zu beenden, weil es diese Kids gibt, die mit sieben schon Influencer-Status erreicht haben mit gigantischen Brand deals, so werden auch die Kids schon beeinflusst in ihrer nicht mehr ganz so natürlichen Suche nach Dingen, die sie mögen, die sie entdecken wollen. Und das eben nicht durch’s Anfassen und Durchbuddeln da draußen, sondern durchs Scrollen in ihren Social Media Feeds.

Entdecken. Was ist das nochmal? Dieses child-like play, dieses kindliche Amüsieren von ganz banalen Dingen, so banale Dinge wie die freaking Natur da draußen, die nicht noch einen Zaun braucht, nicht noch ein Reel, nicht noch mehr von: uns.

Aber was sag ich da, eigentlich ist das ja quatsch, weil wir aus der Erde kommen und die Erde genauso bestaunen dürfen wie Wolkenkratzer, die auch wiederum nur aus Erde gemacht wurden. Wir sollten weiterhin Reisen dürfen. Deshalb ist der Sinn und Zweck dieses Videos, auch auch des Romans, nicht das Reisen an sich zu verteufeln. Die Welt ist schön, wir sollten sie uns anschauen. Sie gibt uns wahnsinnig viel, neue Eindrücke, neue Sprachen, neue Kulturen, neue Begegnungen, außerhalb der Komfortzone, vielleicht auch innerhalb wenns der Hotelurlaub sein soll, aber man geht da raus und sieht etwas anderes als das, was man in seinem Alltag sieht, hauptsächlich den Laptop-Bildschirm, das Netflix Symbol, und im besten Fall den Partner oder die Partnerin, und vielleicht das ein oder andere Gläschen Wein oder ein kühles Bier mit den Freunden; aber all das sind Dinge, die sich schon so tief in uns eingebrannt haben, dass sie uns kein Dopamin mehr schenken, dass sie uns nicht mehr unruhig werden lassen, wo wir doch nichts anderes wollen, wir wollen unruhig sein und die Kontrolle verlieren, den Überblick, und genau das geschieht wenn wir jede freie Minute in unseren Feeds abhängen, ob auf dem Klo oder beim Essenmachen oder beim Warten auf den Zug. Hauptsächlich zwischendurch mit Reisecontent berieselt werden, damit wir zu keinem Zeitpunkt des Tages zufrieden mit dem Ort sein können, wo wir gerade stehen.

Wo stehen wir gerade? Mein Gefühl sagt, an einer Abzweigung. Die Welt ist in Bewegung, es ändert sich gerade so viel, seit 2-3 Jahren, ich glaube, das ist uns gar nicht wirklich bewusst, wie viel sich gerade verändert, auf massiver Art und Weise, global, jeder und jede nimmt bewusst oder unbewusst teil, die Menschheit verändert sich gerade, und vielleicht sprenkelt sie sich auf in tausende Strömungen, oder aber sie zieht an einem Strang, um die drängendsten Probleme unserer Zeit zu lösen. Und wie gesagt, es geht nicht darum, nicht mehr zu reisen. Wir müssen reisen, wir müssen sehen, was wir zuhause nicht sehen können, mit eigenen Augen, und nicht durch die Kamera oder Smartphonelinse: wir müssen erfahren, wir müssen anfassen, uns in der Welt da draußen durchbuddeln. Aber wir müssen das bewusst tun. Hotspots, die bereits überlaufen sind, einfach mal meiden. Das Elefantenfoto auf der Thailand-Reise mal weglassen (und ja, disclaimer: ich habe auch eins). All das ist auch Appell an mich, bewusster zu reisen. Meine eigenen Pläne zu machen. Kein Hau-ein-einzigartiges-highlight-nach-dem-anderen-drauf Urlaub, wo jede freie Sekunde sich wie verschenkte Zeit anfühlt, weil es ja teuer war. Fomo kennen wir bereits, the fear of missing out, aber was ist denn mal mit Jomo, the joy of missing out? Es einfach mal embracen, etwas nicht getan zu haben. Zu sagen, ich war nicht auf dem Eiffelturm, ich war nicht in Venedig, und ich war nicht am Strand von Bali. Aber dafür hab ich einen super tollen Menschen kennengelernt in einem Hostel außerhalb der Stadt, und irgendwie sind wir auf einem nur bei den lokals bekannten Aussichtspunkt gelandet, und da hat es gezirpt und die Sonne ist untergegangen und wir haben gelacht und uns irgendwie verständigt, weil mein Spanisch schlecht ist.

Und dann machen wir ein Foto und verlinken den Ort.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..